Lasse Abraham aus Pölitz kümmerte sich auf einer Farm in Namibia um Löwen, Geparde und Giraffen, die ans Leben in der Natur gewöhnt wurden.

Pölitz. Er hat Löwenbabys mit der Flasche aufgezogen, ist mit großen Raubkatzen wie mit einem Hund Gassi gegangen und hat mit Geparden gekuschelt: Dreimal war der Pölitzer Lasse Abraham bereits als Volunteer auf der Harnas-Farm, einer Aufzucht- und Wiedereingliederungsstation für verletzte, verwaiste, ausgesetzte und schwierige Wildtiere in Namibia.

Auf dem rund zwölf Hektar großen Anwesen mitten in der Savanne lebte der Stormarner mit 300 bis 400 Tieren, darunter Zebramangusten, Antilopen, Hyänen, Giraffen, Leoparden, Löwen, Paviane und Krokodile, sowie rund 50 Einheimischen und 20 bis 40 weiteren freiwilligen Helfern aus aller Welt. "Ich hab mich sofort in die Farm verliebt", sagt der 22-Jährige, "das macht einfach süchtig."

Dabei ist das Leben zwischen all den Wildtieren alles andere als ein entspannter Urlaub. "Wir arbeiten dort den ganzen Tag", sagt Lasse Abraham. Das bedeutet: aufstehen um 7 Uhr, eine Stunde später bereits das erste Treffen mit den Gruppenleitern. Dort werden die Aufgaben vergeben, die Liste ist lang: Es müssen Gehege gesäubert, Nahrungsmittel wie Fleisch, Obst und Gemüse für die vielen Tiere zurechtgeschnitten, neue Wasserlöcher gegraben, zusätzliche Gehege gebaut, Löcher von Zäunen gestopft und Bäume gefällt werden. Und dann gibt es da auch noch die Arbeit mit den Tieren. "Das macht am meisten Spaß", sagt Abraham, "die Tiere belohnen einen für die harte Arbeit. Man muss es sich erarbeiten, dass sie einen mögen."

Nur dann würden sie die Menschen auch an sich heranlassen - und das ist zum Beispiel nötig, um sie in die sogenannte "Life Line" zu begleiten. Die "Life Line" ist ein 8000 Hektar großes umzäuntes Gelände, auf dem die Tiere ihre Instinkte entwickeln und lernen sollen, Gefahren zu erkennen, ihre Umgebung einzuschätzen und Feinde zu meiden. Lasse Abraham sagt: "Das Ziel der Harnas-Farm ist es, die Tiere irgendwann wieder freizulassen. Dafür ist es nötig, sie langsam an das Leben in der Wildnis zu gewöhnen."

Angst vor den Raubtieren habe er nie gehabt. "Aber man muss einen gesunden Respekt entwickeln und immer im Hinterkopf haben, dass es wilde Tiere sind", sagt er. Obwohl die Löwen und Geparden in der "Life Line" mehr als 8000 Hektar zum Herumlaufen zur Verfügung haben, seien die zahmen Tiere ihm anfangs nicht von der Seite gewichen. "Viele Löwen sind mit der Hand aufgezogen worden und haben nie selbst gejagt. Für sie ist das alles neu, sie sind unsicher", sagt der Pölitzer. "Deshalb folgen sie mir, wenn ich vorgehe."

Um 13 Uhr gibt es für die Volunteers auf der Harnas-Farm eine Mittagspause, anschließend wird bis etwa 19 Uhr weitergearbeitet. "Danach war ich immer so müde, dass ich nur noch geschafft ins Bett gefallen bin", sagt Lasse Abraham. Harte Arbeit, die sich finanziell aber nicht bezahlt macht. Denn statt Geld zu bekommen, müssen die Freiwilligen sogar noch welches mitbringen. "Der Aufenthalt kostet bis zu 500 Euro pro Woche", sagt der Pölitzer. "Das Geld ist für Unterkunft, Essen, und ein Teil ist auch eine Spende."

Für die Freiwilligen gibt es auf der Farm ein eigenes Wohndorf mitten im Busch. Die jungen Leute schlafen in kleinen Holzhütten. "Das ist alles ganz einfach gehalten, wie ein Gartenhaus", sagt er. "In jeder Hütte stehen nur vier Betten und vier Schränke. Duschen und Toiletten sind unter freiem Himmel."

Die Tiere sind entweder von Einheimischen auf die Harnas-Farm gebracht oder aber von den Mitarbeitern gerettet worden. "Oft rufen Farmer auf der Station an und berichten, dass Wildtiere ihre Schafe, Kühe oder Ziegen gerissen haben", sagt Lasse Abraham. "Sie drohen dann, die Tiere zu töten, wenn wir nicht sofort kommen und sie einfangen." Einmal war der Pölitzer auch bei einer solchen Rettungsaktion dabei. Vier Nächte hockte er auf einer Farm im Busch, stellte Fallen auf, suchte Spuren und hörte auf Geräusche. Doch die Mühe war vergebens: Die Tiere ließen sich nicht mehr blicken.

Besonders viel Freude habe ihm auch der Kontakt zu den Einheimischen bereitet. "Die Menschen dort sprechen Afrikaans, eine Mischung aus Deutsch, Niederländisch und Englisch, oder alte Sprachen mit Klicklauten", sagt der Stormarner. "Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt."

Bei seinem jüngsten Besuch im Frühjahr dieses Jahres lernte er ein Buschvolk kennen. "Die haben mir gezeigt, wie sie Tiere aufspüren und Wasser finden", sagt er. "Es war interessant zu sehen, wie man mit so wenig glücklich sein kann."

Zum ersten Mal kam Lasse Abraham vor dreieinhalb Jahren auf die Harnas-Farm. Er hatte damals gerade sein Abitur an der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe gemacht und wollte anschließend per Work & Travel durch Australien reisen. Doch dann stieß er im Internet auf Namibia. "Ich war schon immer ein großer Tierfreund", sagt er. Zu Hause bei seinen Eltern hatte er Hunde, Schildkröten, Kaninchen, Ratten und Meerschweinchen. "Deshalb hat mich die Farm sofort begeistert."

Für Lasse Abraham steht fest: Er möchte so schnell wie möglich wieder nach Afrika. Statt als Volunteer will der 22-Jährige, der als Kaufmann für Marketingkommunikation in Hamburg arbeitet, dann aber mit einem Land Rover und einem Zelt im Gepäck drei bis vier Wochen durch den Süden fahren. Er sagt: "Ich hoffe, dass ich das Geld für die Tour bis Ende 2012 oder Anfang 2013 zusammen habe."