Ein besonderes Gewebe hilft bei ungesundem Fett. Europäischer Arteriosklerose-Kongress in Hamburg.

Hamburg. Schlaganfall und Herzinfarkt sind die großen Volkskrankheiten unserer Zeit - und sie haben eine Ursache, die Verkalkung der Blutgefäße, medizinisch Arteriosklerose. Am Sonntag beginnt in Hamburg eine Tagung, auf der die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung und Behandlung dieser Erkrankung diskutiert werden. Zu dem viertägigen Europäischen Arteriosklerose-Kongress werden rund 1800 Teilnehmer aus 65 Ländern erwartet.

Eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Arteriosklerose spielen Fettstoffwechselstörungen, insbesondere erhöhte Werte des LDL-Cholesterins und der sogenannten Triglyceride im Blut. Jetzt haben Forscher am Universitätsklinikum Eppendorf eine überraschende Entdeckung gemacht. Sie entdeckten die guten Eigenschaften des braunen Fettgewebes - ein Gewebe, das man noch vor wenigen Jahren nur bei Tieren, die Winterschlaf halten, und bei Neugeborenen kannte. Im vergangenen Jahr wurde es auch bei Erwachsenen nachgewiesen.

Die Arbeitsgruppe um den UKE-Forscher Dr. Jörg Heeren konnte jetzt nachweisen, dass aktiviertes braunes Fettgewebe die Blutfettwerte senken kann. "Aktivieren kann man dieses Fettgewebe durch Kälte oder in Zukunft durch Substanzen, die den Kälteeffekt im Gewebe nachahmen", sagt Prof. Ulrike Beisiegel, Fettstoffwechselexpertin am UKE und Präsidentin des Kongresses. Dieses braune Fettgewebe wirke wie ein Verbrennungsofen für Fett und könnte in Zukunft möglicherweise auch in der Bekämpfung der Adipositas (Übergewicht) eine wichtige Rolle spielen. "Bisher fällt auf, dass vor allem schlanke Menschen braunes Fettgewebe haben, jene, die viel essen und trotzdem nie dick werden. Auch bei Menschen, die in Sibirien in extremer Kälte leben, hat man viel braunes Fettgewebe gefunden. Dicke Menschen dagegen haben fast nur weißes Fettgewebe", erzählt Beisiegel. Das braune Fettgewebe sitzt vor allem unter dem Schlüsselbein und im Nacken.

Dass neben dem erhöhten LDL- Cholesterin und erhöhten Triglyceriden noch ein drittes Blutfett eine wichtige Rolle für die Entstehung von Herzinfarkten spielt, hat eine Arbeitsgruppe um den dänischen Forscher Prof. Børge Nordestgaard herausgefunden. Gemeint ist das sogenannte Lipoprotein a. "Die Mehrheit der Bevölkerung hat niedrige Lipoprotein-a-Werte, aber die wenigen, bei denen dieser Wert hoch ist, haben ein ähnlich hohes Herzinfarktrisiko wie Patienten mit erhöhtem LDL-Cholesterin", sagt Beisiegel. Zur Senkung dieser Werte wird das sogenannte Niacin eingesetzt. Bei sehr hohen Lipoprotein-a-Werten hilft aber oft nur eine Art Blutwäsche, die Plasmapherese, bei der die Fette aus dem Blut herausgefiltert werden.

Ein weiteres Highlight des Kongresses ist eine Studie, in der untersucht wurde, welchen Einfluss die Gene auf die Entstehung eines Herzinfarktes haben. Prof. Heribert Schunkert von der Universität Lübeck hat in einer großen Studie 13 neue Genorte entdeckt, die an der erblichen Veranlagung für einen Herzinfarkt beteiligt sind. "Die erbliche Veranlagung macht bei einem Herzinfarkt etwa 50 Prozent des Risikos aus", sagt Beisiegel. Die andere Hälfte wird durch den Lebensstil bestimmt. Wichtig sei, dass es sich dabei nicht um einzelne Gene handle, die diese Wirkung entfalten, sondern um das Zusammenwirken vieler Gene. Dieses Zusammenspiel müsse jetzt weiter erforscht werden.

Auf einem weiteren Symposium im Rahmen des Kongresses wird über die Rolle der Statine diskutiert, Mittel, die zu hohe LDL-Cholesterinwerte senken. "Alle großen Studien haben gezeigt, dass das Risiko eines Herzinfarktes durch Statine innerhalb von fünf Jahren um 30 Prozent reduziert werden kann, im Vergleich zu Patienten, die nicht damit behandelt werden", sagt Prof. Dirk Müller-Wieland, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin an der Asklepios-Klinik St. Georg. Bei allen medizinischen Therapien sei das ein sehr erfolgreiches Medikament, auch wenn damit nicht allen Patienten geholfen werden kann. "Das bedeutet für uns, dass wir in Forschungen herausfinden müssen, durch welche Mittel zur Veränderung von Blutfettwerten wir zusätzlich zu der Statin-Therapie das Herzinfarktrisiko senken können."