Der südindische Bundesstaat Tamil Nadu gehört zu Indiens Aufsteigern: früher Reiskammer, heute industrialisiert, Wirtschaftswachstum bis zu 12 Prozent, Alphabetisierung 73 Prozent (Indien insgesamt: 52 Prozent). 66 Millionen Einwohner, davon 88 Prozent Hindus. Aber im Vergleich zum kleineren, ländlicheren Nachbarstaat Kerala gibt es deutliche Unterschiede: Die Säuglingssterblichkeit von Mädchen beträgt 54 auf 1000 Lebendgeburten (Kerala: 15,3). Im Alter von 6 Jahren kommen nur 930 Mädchen auf 1000 Jungen, bei Erwachsenen sind es 987 Frauen pro 1000 Männer (Kerala: 1058 : 1000). Ein Grund ist sie anhaltende Benachteiligung von Mädchen. In einigen ländlichen Distrikten wie Salem werden laut lokaler Wohlfahrtsbehörde mehr als die Hälfte der neugeborenen Mädchen innerhalb von drei Tagen getötet, häufig mit dem giftigen Saft des Oleander.

Die Regierung von Tamil Nadu will in einem Fünfjahresplan die medizinische Versorgung von Müttern und Babys verbessern und endlich alle Schwangerschaften erfassen. Sie richtet für jedes neugeborene Mädchen ein Konto mit 15.000 bis 20.000 Rupien ein. Ein spezielles Community-Programm soll Frauen und Mädchen aufklären und in einfachen Berufen schulen.

Was wird in Kerala anders gemacht? Bevölkerungsforscher nennen drei Unterschiede: Die Alphabetisierungsrate von 90 Prozent allgemein und von 87 Prozent bei den Frauen ist in Indien Rekord. Ein Grund ist das Schulwesen mit zahlreichen christlichen Missionsschulen, in denen auch Berufsbildungskurse für Mädchen angeboten werden. Zwischen 20 und 30 Prozent der Bevölkerung sind Christen. Sie lehnen Abtreibungen aus ethischen Gründen ab. (ju)