Frühe Art lebte vor zwei Millionen Jahren in Südafrika. Sohn eines Forschers stieß in einer Höhle auf die Knochen. Den Ort hatte der Vater über Satellitenfotos im Internet erkundet.

Matthew Berger ist nicht der typische Frühmenschenforscher. Denn der Sohn des US-amerikanischen Paläoanthropologen Lee Berger war erst neun Jahre alt, als er am 15. August 2008 in einer Maripa genannten Höhle im Norden Südafrikas auf eine völlig neue Frühmenschen-Art stieß: den Australopithecus sediba. Sein Vater forscht an der Universität Witwatersrand in Johannesburg über die Evolution der Menschheit. Gemeinsam mit seinen Kollegen fand er auf den Tipp seines Sohnes hin zwei erstaunlich gut erhaltene Skelette dieser Art. Mit den ersten Analysen dieses Fundes enthüllt der Wissenschaftler im Fachblatt "Science" (Band 328, Seite195) eine kleine Sensation: Diese Art gehört zwar mit Sicherheit zu einer Australopithecus genannten Gattung, die auch als "südlicher Affe" bekannt ist. Vor knapp zwei Millionen Jahren aber zeigte dieser Frühmensch bereits zentrale Merkmale, die für die Gattung Homo typisch sind, von der heute nur noch der moderne Mensch Homo sapiens lebt.

"Die Art könnte als guter Kandidat für den Übergang vom Australopithecus africanus zu einer frühen Homo-Art gelten", meint Lee Berger.

Entdeckt haben Vater und Sohn dieses mögliche Zwischenglied zur Gattung des modernen Menschen mit einer in der Paläoforschung ungewöhnlichen Methode. Der Forscher hatte zunächst mit Google Earth nur für die Umgebung von Johannesburg die Höhlen und Gesteinsschichten mit Fossilien von Frühmenschen auf eine Karte bringen wollen. Da ein Drittel aller solcher Funde in Afrika aus dieser Region kommt, wollte er so Kollegen in aller Welt die Arbeit ein wenig erleichtern.

Über Google Earth konnte der Forscher sich anschauen, wie ein typischer Fossilienfundort auf Satellitenbildern aussieht. Mit diesem Wissen lässt sich der Spieß auch umdrehen. Lee Berger identifizierte neben den rund 130 bereits bekannten Höhlen und 20 Fossilienstätten der Region fast 500 weitere, bisher unbekannte Höhlen mit mehr als 25 ebenfalls vorher nicht beschriebenen Fossilienfunden, die er bis Juli 2008 zusammen mit seinem Kollegen Paul Dirks am Boden in mühevoller Geländearbeit besuchte und kartierte.

Gegen Ende Juli 2008 sah Lee Berger dann mit dem Satellitenblick von Google Earth eine Gruppe von Bäumen, die genau in dem Muster wuchsen, das für Ablagerungen in Höhlen typisch ist, in denen sich Fossilien finden. Zusammen mit seinem häufigen Begleiter, einem auf den Namen "Tau" getauften afrikanischen Löwenhund, fand er dort am 1. August prompt etliche Fossilien in der Nähe von beinahe 40 bisher unbekannten Höhlen. Am 15. August kamen Lee Berger samt Hund, Mitarbeiter Job Kibii und Sohn Matthew zurück, und der neunjährige Matthew entdeckte schon nach wenigen Minuten Suche ein Schlüsselbein. Das war ein Riesenzufall, denn Vater Lee Berger hatte genau über diesen Knochen in der Schulter promoviert und war sofort wie elektrisiert, weil er von einem Frühmenschen stammen musste. Ein kurz danach gefundener Kieferknochen und ein Eckzahn bewiesen dann, dass sie die Überreste eines jugendlichen Frühmenschen gefunden hatten, der im Alter von etwa neun bis 13 Jahren gestorben war.

Solche Funde sind extrem selten, Friedemann Schrenk vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main schätzt grob, dass auf 1000 Jahre Frühmenschengeschichte ein fossiler Knochen kommt.

Bis heute haben die Forscher in akribischer Arbeit allein aus dieser Höhle neben den Überresten von Säbelzahnkatzen, Antilopen und Kaninchen 130 solcher Frühmenschen-Überreste geborgen. Alle stammen von zwei Individuen, die ungefähr 127 Zentimeter groß waren. Die Zähne der Frau waren schon ziemlich abgekaut, sie sollte demnach zumindest knapp 30 Jahre alt gewesen sein. Beide müssen ungefähr zur gleichen Zeit und am gleichen Ort gestorben sein. Sie waren vielleicht verwandt oder sogar Mutter und Sohn. Ihre Überreste wurden mit einer Gerölllawine auf den Grund eines Höhlensees getragen. Dort konnten keine Raubtiere die Skelette auseinanderreißen. Daher fanden die Forscher die wohl vollständigsten Frühmenschenfossilien, die bisher beschrieben sind.

Vor 1,95 bis 1,78 Millionen Jahren lebte dort demnach eine Art, deren lange Arme noch stark an einen Schimpansen erinnerten, die aber auf zwei langen Beinen vermutlich ähnlich wie ein Mensch rennen konnte. Die kräftigen Hände weisen bereits auf eine Geschicklichkeit hin, die moderne Handwerker haben. Der Rest sind Vermutungen: Vorfahre könnte Australopithecus africanus sein. Als Nachkomme stehen Homo habilis oder Homo erectus zur Debatte, der als einer der direkten Vorfahren des modernen Menschen gilt.

Die Gattung Homo ist zwar einiges älter als der neue Fund. Friedemann Schrenk hat in Malawi mit den auf 2,5 Millionen Jahre datierten Homo-rudolfensis-Fossilien die bisher ältesten Reste der Gattung Homo beschrieben. "Gut möglich, dass Australopithecus sediba noch früher entstanden ist", meint Lee Berger. Auch Homo rudolfensis rannte noch vor 1,8 Millionen Jahren durch die Savannen Afrikas und war so mindestens 700 000 Jahre präsent. Vielleicht findet sein Sohn eines Tages Fossilien von Australopithecus sediba, die älter als der älteste Homo-Fund sind.