Etwa vier Millionen Hasen hoppeln durch Deutschland. Der Bestand behauptet sich im “Bermudadreieck“ zwischen Fressfeinden, Flächennutzung und Klimaeinflüssen.

Wie geht's dir, mein Hase? Bei der Antwort hält sich der Europäische Feldhase wie immer bedeckt. Es ist, als hätte er den Monty-Python-Sketch "Wie wichtig es ist, nicht gesehen zu werden" geradezu erfunden. Seit 1994 gehört er in Deutschland zu den potenziell gefährdeten Arten. Aber dank bundesweiter Monitoring-Programme weiß man heute genauer, wie es den Hasen geht, sagt der Wildbiologe Dr. Egbert Strauß vom Institut für Wildtierkunde in Hannover.

Seit 15 Jahren führen Jäger in rund 500 Referenzgebieten zweimal im Jahr nächtliche Scheinwerferzählungen durch. Nach der jüngsten Hochrechnung hoppelten 2009 etwa vier Millionen Hasen in Deutschland herum, im Schnitt sind es 13 Hasen pro Quadratkilometer. Damit ist die Population, trotz regionaler Unterschiede, im Wesentlichen stabil geblieben.

Der lange Winter hat allerdings die berühmten März-Turniere der Langohren verzögert. Angesichts der rabiaten Boxkämpfe bleibt rätselhaft, warum manche Menschen ihre Partner "mein Hase" nennen. Noch Ende der 70er-Jahre sprach man vom typischen "Treiben" der Rammler. Verständnisinnig hieß es in "Grzimeks Tierleben", dass "der Rammler die Häsin damit freilich nicht bestrafen, sondern nur gefügig machen will". Inzwischen stellten Forscher fest: Die trommelnden Pfotenhiebe und das Herumjagen gehören zur Partnerwahl der Häsin, die dabei Kraft und Ausdauer des Rammlers testet. Weil Hasen, anders als Kaninchen, Einzelgänger sind, müssen sie den Stress der Paarungsnähe beim Boxen erst abbauen.

Ein weiteres Missverständnis umgab die Fruchtbarkeit des Hasen. In vorchristlichen Zeiten war er nicht zufällig das Symboltier der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Ostara. Zwischen April/Mai und Oktober bringt eine Häsin bis zu viermal je zwei oder drei Junge zur Welt und verbirgt sie in hohem Gras. Die kleinen Hasen, nur so groß wie ein Tennisball, sind in ihrer oberirdischen Kinderstube aber hoch gefährdet, zeigte ein europaweit einmaliges Junghasenprojekt. "Wir haben die Junghasen mit Wärmebildkameras erfasst und besendert", sagt der Wildbiologe Strauß. Ergebnis: 90 bis 95 Prozent der kleinen Hasen fallen Beutejägern wie Füchsen, Mardern, Wildschweinen, Raubvögeln und sogar Störchen und Elstern zum Opfer. Strauß: "Die Fruchtbarkeit der Hasen ist auf Verlust hin konzipiert." Sie reicht gerade mal, um den Bestand zu wahren.

Intensive Flächennutzung, Klimafaktoren und Beutejäger bilden das "Bermudadreieck", das Hasenforscher heute für die Bestandsschwankungen verantwortlich machen. Studien erwiesen, dass Feldhasen selektiv fressen und Kräuter und Gräser gegenüber Kulturpflanzen bevorzugen. Bis zu 80 verschiedene Kräuter und Pflanzen mit ungesättigten Fettsäuren gehören zu ausgewogener Hasenkost. Sie muss die Schnellrenner mit genügend Energie und die Milch der Häsinnen mit 20 Prozent Fett versorgen.

Aber Flurbereinigung und Monokulturen führen zu einem Verlust an Biodiversität, an Deckung und Rückzugsräumen. Die Subventionierung von Brachflächen lief 2007 aus. Statt dessen hat sich der Anbau von Mais, Raps und Weizen explosionsartig vermehrt, um nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Biomasse zu produzieren, so der Deutsche Jagdverband. Der Wegfall von Brachen schadet dem Hasen ebenso wie nasskaltes Klima, speziell während der Jungenaufzucht. Denn die Kleinen schlafen im Freien.

Ostdeutschland ist mit sechs bis zehn Hasen pro Quadratkilometer hasenarm, Nordrheinwestfalen mit 29 und Schleswig-Holstein mit 20 Hasen liegen über dem Bundes-Durchschnitt. "Die norddeutsche Tiefebene mit Äckern, Knicks, Wiesenstreifen und Wäldchen ist bis jetzt Hasenland", sagt der Wildbiologe Strauß.

Dort lebt der Hase heute noch wie zu Zeiten des Natur- und Heimatdichters und passionierten Jägers Hermann Löns (1866-1914). Obwohl die Moderne mit Cern-Urknall, Bankenkrise und Internet komplett am Hasen vorbeirauscht, ist er immer noch da draußen und kämpft sich wacker durch die Feldmark. Auch wenn man ihn kaum sieht.