Ob Palmöl oder Bio-Ethanol: Ab der Ernte 2010 muss der Rohstoff aus nachhaltigem Anbau stammen. Umweltschützer sind skeptisch.

Hamburg. Erst Hoffnungsträger, dann Sündenbock: Noch vor wenigen Jahren galten Biokraftstoffe als Patentlösung, um die schwindenden Ölreserven zu strecken und das Weltklima zu schonen. Doch dann mehrten sich die Stimmen, für Agrosprit werde Regenwald gerodet, er treibe die Lebensmittelpreise in die Höhe und sei nicht so klimafreundlich wie behauptet. Die Biokraftstoffquote schreibt einen Anteil von knapp sechs Prozent am Kraftstoffmarkt vor. Ab der Ernte 2010 werden nur noch Pflanzentreibstoffe angerechnet, die aus anerkannt nachhaltiger Erzeugung stammen.

Die Zertifizierung habe Fahrt aufgenommen, sagt Franziska Müller-Langer, Biokraftstoffexpertin beim Deutschen Biomasse- forschungszentrum in Leipzig und Doktorandin an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. "Derzeit melden die Bauern für die Ernte 2010 Flächen zur Zertifizierung an. Alles, was schon 2009 geerntet wurde, wird gemäß einer Übergangsregelung generell anerkannt." Auf knapp zwei Millionen Hektar (17 Prozent der Agrarfläche) würden nachwachsende Rohstoffe angebaut, so Müller-Langer, überwiegend für den Einsatz als Energieträger. Sie rechnet damit, dass das neue Gesetzeswerk mit dem Bandwurm-Namen Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) diesen Umfang kaum verändern wird.

In zwei Bereichen muss der Agrosprit künftig ökologisch punkten. Sein Rohstoff darf nur auf traditionellen Landwirtschaftsflächen angebaut worden sein, Flächen mit hohem ökologischen Wert, etwa Schutzgebiete, scheiden generell aus, ebenso Moorflächen, Feuchtgebiete und ehemalige Torfmoore (Trockenlegung nach 2007). Zudem muss der Anbieter des Kraftstoffs nachweisen, dass der gesamte Produktionsprozess bis zur Zapfsäule im Vergleich zu herkömmlichem Benzin oder Diesel mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt.

In Deutschland sind Landwirtschafts- und Naturschutzflächen kartiert und relativ gut auseinanderzuhalten. Hier kann höchstens die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau ethisch fragwürdig sein - meist entscheiden erst die Marktpreise zur Erntezeit, ob etwa Getreide und Mais energetisch oder als Lebensmittel genutzt werden.

Schwieriger wird es bei den Importen. Beispiel Palmöl: "Die EU-Kommission plant allen Ernstes, Ölpalmplantagen zu Wäldern zu erklären. Mit diesem Trick will man offensichtlich die weltweiten Widerstände gegen die Regenwaldrodung für Ölpalmplantagen vom Tisch wischen, nach dem Motto: Es geht gar kein Wald verloren", wetterte der Hamburger Verein Rettet den Regenwald kürzlich. Er beruft sich auf eine Kommissionsvorlage zur praktischen Umsetzung der Biokraftstoffquote, die Gruppen von Bäumen zu Wald erklärt, wenn sie mehr als fünf Meter hoch sind und ein Kronendach bilden, das mindestens 30 Prozent der Fläche bedeckt. Etwas später heißt es dort, "eine Umwandlung von Wald zu Palmenplantagen würde nicht per se ein Bruch des Nachhaltigkeitskriteriums bedeuten".

Diese EU-Sicht widerspricht dem Leitfaden der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), die in Deutschland für die Biokraftstoff-Zertifizierung zuständig ist. Dort heißt es: "Im Interesse des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes darf der Anbau der Pflanzen keine besonders schützenswerten Flächen (z. B. Regenwälder) ... zerstören."

Gerade die Zertifizierung von Palmöl wird also weiterhin Zündstoff bei der Diskussion um Bioenergien liefern. Zumal die derzeitigen Praktiken, etwa vom runden Tisch für nachhaltiges Palmöl (Roundtable on Sustainable Palm Oil, kurz RSPO) auf Kritik von Umweltschützern stoßen. So präsentierte Greenpeace 2009 eine Studie, nach der das RSPO-Mitglied Sinar Mas, Indonesiens größter Palmölproduzent und gleichzeitig in der Papierindustrie tätig, Rodungen ohne vorangegangenes Umweltgutachten durchführt und dabei auch Torfwälder zerstört.

Allerdings spiele der Kraftstoffbereich beim Palmölboom nur eine untergeordnete Rolle, betont Müller-Langer: "Mehr als 90 Prozent des Öls dienen als Industrierohstoff. Es gibt vorbildliche Plantagen; sie werden bevorzugt den Energiesektor beliefern, um der Nachhaltigkeitsverordnung zu genügen." Sie erwartet nicht, dass durch das Regelwerk die zertifizierte Fläche insgesamt deutlich wachsen wird. Bestenfalls könne es den Zertifizierungsprozess in anderen Palmöl-Bereichen beflügeln.

Besser noch als Sprit aus Pflanzen, die extra dafür - nachhaltig - angebaut worden sind, ist Kraftstoff aus pflanzlichen Abfällen, darin sind sich Umweltexperten einig. Das Papier der EU-Kommission will den Einsatz solcher Biokraftstoffe der zweiten Generation sogar doppelt auf die Quote anrechnen lassen. Und die Internationale Energieagentur veröffentlichte gerade eine Studie, nach der die Verwertung von zehn Prozent der weltweiten Abfälle aus Forst- und Landwirtschaft schon mit heutigen Techniken vier Prozent des globalen Kraftstoffbedarfs decken könnte. Franziska Müller-Langer ist da weniger euphorisch: "Die Biokraftstoffe der zweiten Generation sind eine wichtige Komponente für die Zukunft. Sie haben tendenziell günstige Treibhausgas-Bilanzen, sind aber nicht per se ökologisch besser als heutige Biokraftstoffe. Und sie sind noch längst nicht kommerziell einsatzreif, um große Kraftstoffmengen bereitzustellen. Da gibt es noch einen großen Bedarf an Forschung und Entwicklung."