Wissenschaftler aus Deutschland suchen nach neuen Methoden gegen giftige Sporen. Die EU fördert ihre Arbeit.

Manchmal lauert im Gemüsefach des Kühlschranks eine Überraschung, zum Beispiel eine Zitrone im grünen Pelz. In wenigen Tagen können Schimmelpilze eine appetitliche Frucht in einen Fall für die Mülltonne verwandeln, nicht nur in der Küche zu Hause, auch in Transportcontainern und Lastwagen, in Lagerhäusern und Supermärkten. Experten schätzen, dass es jedes Jahr bei ungefähr einem Viertel der weltweiten Ernte Qualitätseinbußen durch Schimmelpilze gibt. Einige Pilze produzieren Gifte, die "Mykotoxine". Diese Substanzen können in Lebens- und Futtermitteln zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen. Was lässt sich dagegen tun? Um das herauszufinden, steckt die EU bis 2013 insgesamt 5,8 Millionen Euro in das internationale Projekt "MycoRed". 25 Forschungseinrichtungen aus Europa, Nord- und Südamerika suchen nach Mitteln gegen die Schimmelpilze.

"In Regionen mit schlechten Lebensmittelkontrollen sterben immer wieder Menschen an Aflatoxin-Vergiftungen", sagt Rolf Geisen vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe, der bei MycoRed mitarbeitet. So kamen 2004 in Kenia mehr als 100 Menschen ums Leben, nachdem sie belasteten Mais gegessen hatten. In Europa werden Lebensmittel regelmäßig auf Aflatoxine getestet. Überschreiten Lebens- oder Futtermittel bestimmte Grenzwerte, werden sie aus dem Verkehr gezogen. Besonders bei Importware an den Grenzen kommt das häufiger vor. Da Aspergillus flavus häufig auf ölreichen Samen wächst, sind Pistazien und Haselnüsse oft betroffen, ebenso Feigen.

Auch für andere Mykotoxine gibt es Grenzwerte und Kontrollen. So lassen sich die krebserregenden Ochratoxine, die von Vertretern der Gattungen Aspergillus und Penicillium hergestellt werden, in vielen Lebensmitteln nachweisen: von Kaffee und Kakao über Getreide und Gewürze bis zu Wein. Allerdings kann das gleiche Produkt je nach Region sehr stark belastet sein oder überhaupt nicht. Das hängt unter anderem mit den Ansprüchen der Pilze zusammen. Die Produzenten von Ochratoxinen etwa haben es gern warm, am liebsten über 30 Grad. "Winzer am Mittelmeer haben deshalb immer wieder Probleme mit Ochratoxin, ihre Kollegen in Baden-Württemberg nicht", sagt Rolf Geisen. Über Zusammenhänge zwischen äußeren Einflüssen und Mykotoxin-Belastungen wollen er und seine Kollegen viel herausfinden.

Wer die Vorlieben der Schimmelpilze kennt, kann sie vielleicht am Wachsen hindern - oder zumindest an der Giftproduktion. Die lebenden Chemiefabriken stellen nämlich nicht ununterbrochen Mykotoxine her, sondern schalten die dafür zuständigen Gene nur unter bestimmten Bedingungen an. Wann es so weit ist, können die Forscher mit molekularbiologischer Methoden erkennen - schon zwei Tage, bevor der Pilz Gift produziert. "So können wir herausfinden, was die Synthese von Mykotoxinen ankurbelt und was sie hemmt", sagt Geisen. Demnach scheinen die Organismen ihre Giftmaschinerie vor allem in Stresssituationen anzuwerfen. Manche Vertreter der Gattung Penicillium siedeln sich auf salzigen Lebensmitteln wie Käse- oder Schinken an. Das ist für Lebewesen eigentlich keine günstige Umgebung, weil hohe Salzkonzentrationen den Wasserhaushalt der Zellen stören. Um diese Herausforderung zu meistern, setzen die Schimmelpilze offenbar auf Ochratoxin. "Die Substanz hilft ihnen wahrscheinlich, die im Salz enthaltenen Chlorid-Ionen wieder aus den Zellen zu schaffen", sagt Geisen.

Auch in anderen ungünstigen Situationen scheinen die Pilze von ihren Giften zu profitieren. Das kann zum Beispiel beim Lagern von Obst oder Gemüse zum Problem werden. Denn in Kühlschränken oder Lagerhäusern herrschen oft Bedingungen, bei denen Schimmelpilze nur noch so eben wachsen können. Gerade dann aber ist der Stress für die Organismen groß - und damit der Antrieb für eine kräftige Giftproduktion. Da hilft nur eins: Die Ware besser trocknen und trotz des höheren Energieverbrauchs den Kühlschrank auf niedrigere Temperatur stellen. Außer auf Temperatur und Feuchtigkeit reagieren Schimmelpilze auch auf Licht. Sie nehmen den Wechsel zwischen Helligkeit und Dunkelheit wahr, sodass sie verschiedene Aktivitäten auf bestimmte Tageszeiten beschränken können.

Die Karlsruher Forscher haben herausgefunden, dass diese innere Uhr die Bildung von Mykotoxinen steuert. So kurbeln Vertreter der Gattung Penicillium nachts ihre Ochratoxin-Produktion an und fahren sie tagsüber zurück. In einer eigens entwickelten Untersuchungsbox hat Geisen die Gift-Produzenten mit verschiedenen Wellenlängen bestrahlt. Vor allem die Kombination von Ochratoxin und kurzwelligem, blauem Licht vertrugen sie schlecht. Prompt drosselten sie ihre Giftproduktion und bauten die schon vorhandene Substanz in ihren Zellen bis auf weniger kritische Konzentrationen ab. Wenn das Licht intensiv genug ist, hören die Pilze auf zu wachsen. Mit einer solchen Lichttherapie haben die Forscher Orangen so gut wie pilzfrei gehalten, während sich unbehandelte Kontrollfrüchte in dicke Schimmelschichten hüllten. Energiesparende LEDs könnte man problemlos in einen Kühlschrank bauen, so Geisen. Damit ließe sich manche Überraschung im Gemüsefach verhindern.