Ein winziges Haut- oder Pflanzenstück soll reichen. Zöllner könnten illegale Produkte von Tieren und Pflanzen besser aufspüren.

Zollbeamte haben manchmal keinen leichten Job. Da haben sie ein paar Bretter vor sich, eine Dose Fisch oder eine Handvoll getrocknete Pflanzen. Und dann sollen sie entscheiden, ob es sich um illegale Produkte von bedrohten Arten handelt. Es gibt eine Fülle von Tieren und Pflanzen, die aus Naturschutzgründen nicht oder nur unter bestimmten Auflagen ein- und ausgeführt werden dürfen. Welche das sind, regelt das internationale Abkommen Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna (CITES). Dieser Vertrag legt für etwa 5000 Tier- und 28 000 Pflanzenarten strenge Handelsbeschränkungen fest. Nach der 15. CITES-Vertragsstaatenkonferenz, die bis zum 25. März in Katars Hauptstadt Doha tagt, werden die Listen vermutlich noch länger werden. Ein neues molekularbiologisches Verfahren könnte helfen, illegalen Geschäften mit der Natur künftig besser auf die Spur zu kommen.

Vorbild sind die Strichcodes, die an Supermarktkassen über ein Lesegerät, den Scanner, gezogen werden - schon hat das Gerät Artikel und Preis erkannt. Einen ähnlich einfachen Identifizierungscode versuchen Biologen rund um die Welt für Lebewesen zu entwickeln. Die Idee hinter diesem "DNA-Barcoding" ist bestechend: Ein tragbares Gerät soll ein winziges Stück aus dem Erbgut eines Tieres oder einer Pflanze analysieren und sekundenschnell anzeigen, um welche Art es sich handelt. Das würde nicht nur Zöllnern beim Identifizieren von Schmuggelware helfen. Polizisten könnten verräterische Pflanzenteile an Mordopfern bestimmen und Rückschlüsse auf den Tatort ziehen. Bei ökologischen Studien ließe sich im Rekordtempo die Tier- und Pflanzenwelt größerer Gebiete erfassen.

Um die Idee voranzutreiben, haben sich Forschungseinrichtungen aus aller Welt seit 2003 zur Barcode of Life Initiative zusammengeschlossen. Ihre Mission ist die Suche nach Erbgut-Regionen, an denen sich Lebewesen schnell und einfach auseinanderhalten lassen. Perfekt geeignet wäre eine kleine DNA-Sequenz aus 600 bis 700 Bausteinen, die möglichst bei allen Organismen vorkommt und sich von Art zu Art unterscheidet.

Einen interessanten Kandidaten haben Molekularbiologen in den sogenannten Mitochondrien gefunden, die für die Energieversorgung von Zellen zuständig sind. Im Erbgut dieser Minikraftwerke gibt es eine kurze Sequenz mit Informationen für die Bildung des Enzyms Cytochrom-c-Oxidase I. Paul Hebert von der Universität Guelph (Kanada) und seine Kollegen haben dieses DNA-Stück bei 260 nordamerikanischen Brutvogelarten analysiert. Bei jeder Art fanden sie eine charakteristische Folge von Bausteinen. Auch bei Schmetterlingen, Spinnen und Fischen funktioniert der Erkennungscode gut.

"Pflanzenarten kann man damit allerdings nicht unterscheiden", sagt Alexandra Muellner vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt am Main. Das liegt daran, dass sich das Erbgut von pflanzlichen Mitochondrien zu langsam verändert, sodass sich die DNA-Sequenz zwischen den Arten nicht genügend unterscheidet. Außerdem wechseln immer wieder Teile des Erbguts ihre Position, sodass sich die Abfolge der Bausteine nur schwer vergleichen lässt. Die Botaniker unter den Strichcode-Entwicklern setzen eher auf die DNA der Chloroplasten, bei der beide Probleme weniger stark ausgeprägt sind. Zwei Abschnitte des Chloroplasten-Erbguts haben die Wissenschaftler als vielversprechende Pflanzen-Strichcodes im Auge. Bis 2011 wollen sie bei verschiedenen Pflanzengruppen untersuchen, ob diese "matK" und "rbcL" genannten Regionen die Erwartungen erfüllen.

Alexandra Muellner zum Beispiel beschäftigt sich mit den weltweit mehr als 560 Arten von Mahagoni-Gewächsen. Sicher ist, dass sich die Mitglieder dieser Pflanzenfamilie nicht allein an den beiden Chloroplasten-Sequenzen unterscheiden lassen. Offenbar sind die Arten zu jung, sodass sich im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte nicht genügend Unterschiede im Erbgut herausgebildet haben. Viel bessere Ergebnisse haben die Frankfurter Forscher mit einem "ITS" genannten Abschnitt aus der DNA des Zellkerns erzielt, die sich im Laufe der Evolution schneller verändert. "Mithilfe dieser Sequenz haben wir sogar etliche neue Mahagoni-Arten gefunden", sagt die Biologin. Die Erbgut-Analysen zeigen, dass sich hinter dem Artnamen Cedrela odorata mindestens drei verschiedene Arten verbergen.

So ganz sind die Frankfurter Botaniker mit ihrem Mahagoni-Strichcode allerdings noch nicht zufrieden. Eines Tages soll er so genau sein, dass er nicht nur die Art, sondern auch die Herkunftsregion bestimmen kann. Gerade bei Mahagoni-Gewächsen wäre das interessant. Schließlich gehören zu dieser Familie einige der begehrtesten Tropenhölzer. Viele Bestände sind geplündert, es gibt für etliche Arten Handelsbeschränkungen. Manche Geschäftemacher lassen sich davon allerdings nicht beeindrucken. Denen könnte man mithilfe des Strichcodes auf die Schliche kommen.

Ein Zöllner müsste nur ein winziges Holzstückchen per Schnelltest untersuchen. Schon wüsste er, ob die Angaben zur Herkunft des Holzes stimmen oder ob ihm ein Importeur illegal gefällte Regenwald-Riesen als Plantagenholz unterschiebt. "Auch andere Betrügereien lassen sich mit funktionierenden Strichcodes aufklären", sagt Alexandra Muellner. So werden Händler oder Restaurantbesitzer immer wieder von Lieferanten übers Ohr gehauen. Vor einiger Zeit hat ein Gemüsehändler zum Beispiel Rucola im Labor von Muellners Kollegen untersuchen lassen. Es handelte sich um Rapspflanzen.