Wenn die Alltagskost nur ein paar Gramm weniger Salz enthält, lassen sich pro Jahr Zehntausende Todesfälle vermeiden.

Diese Medizin kostet nichts. Aber sie würde Tausende Menschenleben retten. Dafür müssten wir nicht mal etwas schlucken. Im Gegenteil müssten wir sogar etwas weglassen: jeden Tag etwa einen Teelöffel Salz. In Amerika würde dieser Verzicht jedes Jahr zwischen 42 000 und 92 000 Todesfälle verhindern, haben Forscher der Universität San Francisco ausgerechnet. Denn mit nur drei Gramm weniger Salz am Tag gäbe es 120 000 chronisch Herzkranke weniger, berichtete die Leiterin der Forschungsgruppe, Kirsten Bibbins-Domingo, im Fachblatt "New England Journal of Medicine". Das US-Gesundheitssystem könnte so zehn bis 24 Milliarden Dollar im Jahr sparen. Der gesundheitliche Nutzen, so die Forscher weiter, hätte den gleichen Effekt wie eine Halbierung des Zigarettenkonsums. Sogar eine nur um ein Gramm verringerte Salzzufuhr würde jährlich noch bis zu 32 000 Todesfälle verhindern.

In Amerika nimmt jeder Mann im Schnitt 10,4 Gramm Salz zu sich, Frauen immerhin 7,3 Gramm. In Deutschland ist der Salzkonsum geringer. Schätzungen gehen von etwa acht Gramm pro Tag bei Männern aus und sechs Gramm bei Frauen. Doch bei jedem zweiten liegen die Werte jeweils deutlich darüber. "Dennoch sind die Erkenntnisse aus Amerika auch auf Deutschland übertragbar", sagt Prof. Dr. Heiner Greten, Spezialist für Stoffwechselerkrankungen und Chef des Hanseatischen Herzzentrums an der Asklepios-Klinik St. Georg. Das bedeutet: Täglich weniger Salz im Essen würde hierzulande zwischen 10 000 und 20 000 Todesfälle im Jahr weniger bedeuten. Zum Vergleich: Auf deutschen Straßen kamen im vergangenen Jahr 4160 Menschen ums Leben.

Warum bringt uns zu viel Salz um? "Das Übel ist der Bluthochdruck", sagt Greten, "begünstigt durch zu viel Salz, Übergewicht und mangelnde Bewegung." In Deutschland leben 30 Millionen Menschen mit Bluthochdruck. Bei den über 60-Jährigen ist jeder Zweite betroffen. Greten: "Und viele wissen das gar nicht." Denn hoher Blutdruck verursacht oft keine Schmerzen, nur manchmal treten Symptome auf, wie Kopfschmerzen, Nasenbluten oder Herzbeschwerden. Aber die langfristigen Folgen sind verheerend: So kommt es vermehrt zu Schlaganfällen und Herzinfarkten, auch zur Minderung der Sehkraft durch Erkrankung der Netzhaut. Sogar Demenz werde durch Bluthochdruck gefördert, sagt Greten. Von 220 000 Schlaganfällen jedes Jahr in Deutschland endet jeder zweite tödlich. Eine korrekte Blutdruckeinstellung würde vielen Menschen das Leben retten, so Greten. Wenn eine Umstellung des Lebensstils (mehr Bewegung, viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch) nicht reiche, helfen blutdrucksenkende Medikamente.

Das Problem: Unser Salzkonsum lässt sich insgesamt gut schätzen, aber im Einzelfall schwer messen. Greten: "Das Problem ist nicht der Salzstreuer in der Hand zum ständigen Nachwürzen, sondern das versteckte Salz." In 100 Gramm Salami stecken mehr als drei, in 100 Gramm Salzhering sogar 15 Gramm Salz. Als salzreich gilt klassisches Fast Food, ebenso Fertigkost, Wurst und Käse.

Die deutsche Hochdruckliga empfiehlt maximal sechs Gramm Salz am Tag. Für viele bedeute das eine Halbierung der Salzmenge. Weltweit könnten so Millionen Todesfälle vermieden werden. "Frauen nehmen weniger Salz zu sich als Männer", bestätigt Greten, doch im Schnitt lägen sie auch über den empfohlenen Höchstmengen. Mehr als zehn Gramm Salz am Tag führt zu negativen gesundheitlichen Folgen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Manchmal reiche es schon, mehr Salat, Gemüse und Obst zu essen und zweimal in der Woche Fisch statt Fleisch. Dennoch ist Salz prinzipiell kein Übel - erst die Überdosierung macht es dazu. Unser Körper braucht Salz, für den Knochenerhalt, die Übertragung von Nervensignalen, für die Muskelentspannung und Versorgung der Zellen. Salz bindet Wasser im Organismus. Zu wenig Salz würde uns austrocknen.

Übermäßiger Salzkonsum ist inzwischen nicht nur auf die westliche Welt beschränkt. "Das wird zu einem weltweiten Problem", sagt Greten. So sei in China mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern der Herzinfarkt inzwischen die Todesursache Nummer eins. Schuld sind veränderte Lebensgewohnheiten mit weniger Bewegung und ungesünderer Kost.

Auch ein höheres Lebensalter lässt den Körper empfindlicher auf zu viel Salz reagieren. Bei jedem zweiten über 60-Jährigen ist die Nierenfunktion eingeschränkt, sie scheiden weniger Natrium aus, im Körper verbleiben schädigende Stoffe. Greten: "Gesunde Nieren vertragen mehr Salz."

Wie könnten wir den Salzbedarf besser abschätzen? "Unsere Lebensmittel müssten besser gekennzeichnet sein", sagt Greten. Auf der Verpackung sollten nicht nur die Salzkonzentration, sondern auch die Kalorien angegeben sein. Sinnvoll sei ein sogenanntes Ampelsystem (rot, grün, gelb), wie es in Großbritannien oder Finnland üblich ist, "je einfacher die Kennzeichnung, desto besser".