Als die spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert nach Südamerika kamen, hörten sie von Eingeborenen eine Erzählung, die sie staunen ließ und gierig machte. Nach dieser Schilderung, die die Legende von El Dorado (Der Goldene) begründete, ruderte das Volk der Muisca seinen jeweiligen neuen Herrscher zum Amtsantritt mit einem Floß auf den Bergsee Guatavita (nahe der heutigen kolumbianischen Hauptstadt Bogotá), um dem Sonnengott zu huldigen. Dazu wurde das künftige Oberhaupt mit Goldstaub fein eingepudert. Als sie die Mitte des Sees erreichten, wuschen sie ihm das Gold ab und ließen es mit Edelsteinen und anderen Opfergaben auf den Grund sinken.

Woher aber kam das viele Gold? Und musste da nicht noch viel mehr sein? Das fragten sich damals die Spanier. Aber so sehr sie auch suchten, sie fanden die Quelle des heiligen Edelmetalls nicht. Im Laufe der Zeit verlegten sie El Dorado vom Guatavita-See in unterschiedliche Regionen. Ebenso variierte ihre Vorstellung von dem Schatz. Mal war es ein gigantischer Tempel, mal eine versunkene Stadt, dann wieder ein Königreich irgendwo zwischen dem Amazonas und Peru.

Bis heute hat niemand El Dorado gefunden. Dafür aber nährt der Begriff seither einen Mythos, der bis in die heutige Zeit Dichter, Musiker und Filmemacher inspirierte. Eichendorff schrieb 1841 in einem Gedicht mit dem Titel "El Dorado" Verse wie diesen: "Doch manchmal taucht's aus Träumen, / Als läg es weit im Meer, / Und früh noch in den Bäumen / Rauscht's wie ein Grüßen her. / Ich hört den Gruß verfliegen, / Ich folgt ihm über Land, / Und hatte mich verstiegen / Auf hoher Felsenwand."

Regisseur Howard Hawks drehte 1966 den legendären Western gleichen Namens mit John Wayne, und Leonard Bernstein komponierte 1989 "The Ballad of Eldorado". Was den Mythos ein wenig greifbar macht, ist eine goldene Nachbildung des Floßes von El Dorado. Sie wurde 1969 in einer Höhle bei Bogotá entdeckt. Es ist eines von 50 000 goldenen Objekten im Museo de Oro von Bogotá, der weltweit umfangreichsten Goldschmucksammlung.