Hamburg. An einem Gebärmutterhalskrebs erkranken pro Jahr 6200 Frauen in Deutschland. Wenn ein solcher Tumor festgestellt wird, heißt das oft: Die Frauen müssen sich einer radikalen Therapie unterziehen, mit Entfernung von Gebärmutter und Lymphknoten im Becken und oft anschließender Strahlentherapie. Eine Alternative zur herkömmlichen OP ist eine neue, nervenschonende Operationsmethode, die der Direktor der Leipziger Unifrauenklinik, Prof. Michael Höckel, entwickelt und im Rahmen einer Studie bei 200 Frauen angewandt hat. "Diese Methode beruht auf einem neuen wissenschaftlichen Ansatz, dem sogenannten Kompartmentmodell", sagt Privatdozent Dr. Jörg Schwarz, Chefarzt der Gynäkologie an der Asklepios-Klinik Nord Heidberg, der ebenfalls schon 20 Frauen mit dieser totalen mesometrialen Resektion (TMMR) operiert hat.

Nach der Theorie von Höckel wächst der Gebärmutterhalskrebs nicht nach allen Seiten gleichzeitig, sondern zunächst nur in den Gewebestrukturen, in dem der Gebärmutterhals während der Entwicklung des Fötus im Mutterleib entstanden ist, dem sogenannten Kompartment. Dieser Bereich umfasst neben dem Gebärmutterhals Gewebe, das zwischen Gebärmutterhals und Darm liegt und seitlich zum Kreuzbein zieht. "Prof. Höckel hat die Ursachen für das Wiederauftreten solcher Tumoren nach einer OP seit 20 Jahren untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass für den Erfolg dieser Operation nicht entscheidend ist, dass man beim Entfernen des Tumors rundherum einen Sicherheitsabstand im gesunden Gewebe einhält, sondern dass man den Tumor in seinem Kompartment entfernt. Außerdem werden radikal alle Lymphknoten entfernt, die von Tumorzellen befallen sein könnten", erklärt Schwarz. Wenn man nur darauf achte, den Tumor im Gesunden zu entfernen und das Kompartment außer Acht lasse, könne es sein, dass sich dort an anderer Stelle erneut ein Tumor bilde.

Zudem werden bei der TMMR Nerven von Blase und Darm besser geschont. "Bei der herkömmlichen Operation nach Wertheim wurden häufig Nerven verletzt, die die Funktion von Blase und Darm regulieren, sodass viele Frauen anschließend massive Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang haben. Bei der TMMR können auch Komplikationen auftreten, aber sie sind wesentlich seltener und leichter", sagt Schwarz. Das war für ihn ein wesentlicher Grund, die Methode von Höckel zu übernehmen.

Jetzt hat Prof. Höckel auch die ersten Langzeitergebnisse der TMMR in "Lancet oncology" veröffentlicht. Danach haben 96 Prozent der Patientinnen die ersten fünf Jahre nach der Operation ohne Rückfall überlebt - obwohl er auch bei fortgeschrittenen Tumorstadien und Lymphknotenbefall auf eine zusätzliche Strahlentherapie verzichtete. "Bei der herkömmlichen Operation liegen die Fünf-Jahres-Raten zwischen 80 und 85 Prozent, trotz der zusätzlichen Strahlentherapie", sagt Schwarz, der in seiner Klinik nur in Einzelfällen, insbesondere bei Befall der Lymphknoten, Frauen nach einer TMMR mit einer Strahlentherapie behandelt. Für ihn ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich die TMMR etabliert. "Mittlerweile wird sie in der Fachwelt zunehmend wahrgenommen."

Doch nicht immer wird dieser Krebs operiert. Besonders dann, wenn der Tumor bereits über den Gebärmutterhals hinaus gewachsen ist, wird eine Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie empfohlen.