Vor 50 Jahren drang Jacques Piccard 10 910 Meter tief in den Marianengraben vor. Der Schweizer erkundete gemeinsam mit dem Amerikaner Don Walsh den Meeresgrund. Heute leisten Roboter diese Arbeit.

Eingepfercht sitzen der Schweizer Tiefseeforscher Jacques Piccard und der amerikanische Marineleutnant Don Walsh in der engen Kapsel der "Trieste", als das U-Boot am 23. Januar 1960 im Marianengraben östlich der Philippinen vor der Insel Guam 10 910 Meter abtaucht. Hier im Pazifik befinden sich die tiefsten Abgründe aller Ozeane. Die Fahrt wird ein Rekord für die Ewigkeit, bis heute ist kein weiterer Mensch in ähnliche Tiefen zum Meeresboden vorgedrungen.

Der Tauchgang beginnt um 8.23 Uhr, als die "Trieste" vom schaukelnden Schiffskran der "USS Wandank" zu Wasser gelassen wird. Die kleine Stahlkugel unterhalb des Rumpfes, der die beiden Abenteurer ihr Leben anvertrauen, hält dem enormen Druck von rund 1170 Bar (mehr als eine Tonne pro Quadratzentimeter) stand. Zwölf Zentimeter dicke Edelstahlwände trennen sie vom Ozean.

Den sogenannten Bathyskaph (aus dem Griechischen von bathos: Tiefe und skaphos: Schiff) hatte Jacques' Vater Auguste Piccard im Auftrag der US-Marine entworfen. Seit 1947 baute Piccard senior an Vorläufermodellen der "Trieste", 1953 tauchte seine Konstruktion im Mittelmeer auf 3150 Meter hinab, im Folgejahr vor der Küste Senegals auf unter 4000 Meter. Doch erst mit der "Trieste FNRS-3", benannt nach der fördernden belgischen Gesellschaft "Fonds National de la Recherche Scientifique", stieß das U-Boot in Rekordtiefen vor. Dazu musste die "Trieste" in den Pazifik, denn hier befinden sich die gewaltigsten Tiefseegräben der Welt.

Das Tauchboot wurde 1958 von der US-Marine übernommen, war an Suchaktionen nach verschollenen Schiffen und U-Booten beteiligt. Wie erst später bekannt wurde, wollten die Amerikaner kurz vor dem Rekordtauchgang Jacques Piccard gegen einen ihrer Landsleute austauschen, was er jedoch gemeinsam mit seinem Vater verhindern konnte.

An einer Kette, länger, als der Mount Everest hoch ist, wurde das U-Boot bis auf den Grund des Marianengrabens hinabgelassen. Beim Abtauchen bemerken Piccard und Walsh bei einer Tiefe von 9875 Metern eine "starke, dumpfe Explosion". Die Kommunikation mit dem Mutterschiff über das Unterwassertelefon ist schon bei 7000 Metern ausgefallen. Auf sich allein gestellt bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Nerven zu behalten. Wie sich später herausstellte, war die Plexiglasabdeckung vor ihrem Bullauge gerissen, was aber zum Glück keine unmittelbare Gefahr darstellte.

Um 13.06 Uhr erreichen sie den Meeresgrund, verharren jedoch in einem Abstand von vier Metern, um das Gefährt nicht zu beschädigen. Die Stelle heißt heute Triestetief. 20 Minuten lang machen sie Beobachtungen und Messungen. So können sie zum Beispiel erstmals nachweisen, dass auch elf Kilometer unterhalb des Meeresspiegels Lebewesen existieren: Mit ihrem Scheinwerfer scheuchen sie einen Plattfisch auf - eine Kamera zur Dokumentation dieser biologischen Sensation ist nicht an Bord. Der Meeresgrund präsentiert sich als unwirtlicher Ort mit schlammigen Sedimenten. Es ist stockdunkel, die Wassertemperaturen liegen zwischen einem und drei Grad, und es herrschen kaum vorstellbare Druckverhältnisse.

Die Ozeanografen werfen Ballast ab, steigen wieder auf. Dreieinhalb Stunden später, um 16.56 Uhr, erreicht die "Trieste" mit ihrer Besatzung unbeschädigt die Wasseroberfläche. Bis heute stammt noch vieles von dem, was wir über das Leben in den Tiefseegräben wissen, aus der Pionierzeit der Tiefseeforschung aus den 50er- und 60er-Jahren. Nach der Rekordfahrt wurden Bathyskaphen für weitere wissenschaftliche Expeditionen eingesetzt. Bis 1980 wurden jedoch alle Forschungs-U-Boote außer Dienst gestellt, zuletzt die "Trieste II".

Heute tauchen Menschen nicht mehr in die tiefsten Tiefen der Ozeane hinab. Deshalb wird der Rekord von Piccard und Walsh wohl noch lange bestehen bleiben. Mittlerweile erkunden unbemannte Tauchroboter den Meeresgrund. Sie sind sicherer, preiswerter, und die Roboter können viel längere Expeditionen durchführen als U-Boote mit Wissenschaftlern an Bord. Bestückt mit Kameras, Sonar und Greifarmen liefern sie scharfe Bilder aus den Untiefen, nehmen Proben und führen Messungen durch. Sie entdeckten Einzeller, Seegurken, Garnelen, Ringelwürmer.

Das unbemannte U-Boot "Nereus" von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts kam am 31. Mai 2009 dem alten Rekord ganz nahe: Es tauchte auf 10 902 Meter in den Marianengraben hinab, brachte Steine und Sedimente mit nach oben. Das fünf Millionen US-Dollar (3,5 Mio. Euro) teure Gefährt ist 4,25 Meter lang, 2,3 Meter breit, hat eine Keramikhülle und 4000 Akkus, die es 36 Stunden lang mit Strom versorgen. Ein haarfeines Glasfaserkabel mit 40 Kilometern Länge verbindet es mit dem Mutterschiff. Forscher hoffen nun darauf, dass "Nereus" so viel entdeckt, dass das U-Boot ebenfalls Geschichte schreiben wird - wie 50 Jahre zuvor die "Trieste".