Das Kribbeln im Mund geht auf winzige Verätzungen zurück - trotzdem ein Genuss. Schon das Öffnen der Flasche fasziniert die Wissenschaft: Die ausströmende Energie verwandelt die Luftfeuchtigkeit in Eiskristalle.

Ein Glas Sekt oder Champagner gehört in diesen Tagen des Jahreswechsels für viele Menschen einfach dazu. Und die Deutschen lassen sich bei ihrem Konsum nicht lumpen. Rein rechnerisch schluckt jeder potenzielle Konsument 45 Gläser (à 0,1 Liter) Schaumwein innerhalb eines Jahres. Wer ermittelt diesen Verbrauch so genau? Die Schaumweinsteuer-Statistik, die neben Champagner auch alle anderen Arten, einschließlich Obstschaumweinen, erfasst.

Doch das Edelgetränk beschäftigt auch die Wissenschaft. Der Radius einer aufsteigenden Sektblase nimmt etwa 350 bis 400 Mikrometer pro Sekunde zu. Die an der Oberfläche platzenden Bläschen sprühen Aromen und andere Verbindungen in die Nase des Trinkers - was einen großen Teil des sinnlichen Genusses ausmacht, nachzulesen in einem Übersichtsartikel im Fachblatt "Chemie in unserer Zeit" (Bd. 43, S. 418).

Außerdem wird aus dem Kohlendioxid der Bläschen auf der Zunge Kohlensäure gebildet - das Kribbeln im Mund geht also auf winzige Verätzungen zurück. Die Gasperlen sind auch die Ursache dafür, dass Sekt und Champagner rasch zu Kopf steigen, schreibt Professor Klaus Roth von der Freien Universität (FU) Berlin. Die platzenden Bläschen reizen nämlich die Magenwände, die dadurch stärker durchblutet werden - und in der Folge den Alkohol schneller aufnehmen können.

Umstritten ist nach wissenschaftlichen Maßstäben allerdings, wer die Flaschengärung der schäumenden Weine einst ersann. Die Engländer verweisen darauf, dass Christopher Merret 1662 vor der königlichen Gelehrtengesellschaft Royal Society über das Verfahren berichtet habe. Für die Franzosen ist der Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon (1638-1715) der Erfinder des edlen Getränks. Der Kellermeister verfeinerte jedenfalls den in der Champagne-Region produzierten Schaumwein zu einem Spitzenprodukt - und ist zumindest verantwortlich für die Flaschengröße von 0,75 Litern (siehe Extratext).

Mittlerweile sei der Champagner "das wohl am strengsten kontrollierte Getränk überhaupt", meint Professor Roth vom Institut für Chemie und Biochemie der FU Berlin.

Das Anbaugebiet ist begrenzt, jedes Jahr wird eine maximale Traubenmenge je Hektar festgelegt. Nur mit Hand geerntete Trauben bestimmter Sorten dürfen verwendet werden, nach dreiwöchiger Vergärung muss der Champagner mindestens 15 Monate stehen. Maximal 350 Millionen Flaschen jährlich werden so hergestellt - und für viel Geld verkauft. Als Bester unter den Besten gelte bei vielen Experten der 1928er Krug Collection Champagner. Am 28. März dieses Jahres habe eine Flasche davon den Rekordpreis von 15 900 Euro erzielt.

Anders als bei Wein steige der Wert schäumender Getränke nicht mit dem Alter. "Sekte verlassen die Kellerei ausgereift, ihre Qualität verbessert sich also nicht mit der Lagerzeit, da der CO2-Druck unweigerlich abnehmen muss." Zudem sei die Mischung verschiedener Tropfen beim Sekt keine Schande. Meist werde aus bis zu 80 Weinen unterschiedlicher Sorten, Jahrgänge und Lagen ein sogenannter Cuvée komponiert.

Ein wundervolles Schauspiel sei - jedenfalls bei ganz naher Betrachtung - das Öffnen einer Sektflasche. Dabei dehnt sich das gasförmige Kohlendioxid im Flaschenhals schlagartig aus, der Druck sackt von fünf Atmosphären auf eine ab. Dies führt zur Abkühlung des ausströmenden Gases, die Feuchtigkeit in der Umgebungsluft gefriert zu einem weißen Rauch aus Eiskristallen.

Zum Schluss ein Tipp für alle, die angebrochene Sektflaschen lagern wollen: die Flaschen offen in den Kühlschrank stellen - ohne Silberlöffel im Hals. Der bringe Tests zufolge überhaupt nichts, schreibt Roth.

Die "sicherste Methode, um den Sekt schal und weniger schmackhaft zu machen", sei das Wiederverkorken. Denn dabei fielen kleine Korkteilchen in den Sekt, an denen sich kontinuierlich Bläschen bildeten. Die Folge: Alles Prickelnde geht schnell verloren.