Um an Fördergelder zu gelangen und die Karriere voranzutreiben, wird getrickst und gefälscht. Immer häufiger wird deswegen gegen Professoren ermittelt.

"In der Wissenschaft wird getrickst, gedealt, gefälscht." Ein vernichtendes Urteil von Dr. Ingrid Hamm, der Geschäftsführerin der Robert-Bosch-Stiftung. Das ist offenbar gängige Praxis unter den Eliten: "Titel gegen Bares" und "Forschungsgelder dank gefälschter Publikationslisten".

Forderungen nach Konsequenzen werden laut, seit die Kölner Staatsanwaltschaft gegen bundesweit 100 Professoren ermittelt, die unter Korruptionsverdacht stehen. Während der Publikationsdruck steigt, befürchten Wissenschaftler, dass ihr Ansehen sinkt - besonders nach dem Forschungsskandal an der Universität Göttingen. 13 Wissenschaftler haben Publikationslisten gefälscht, um Fördergelder zu bekommen. "Das Ermittlungsverfahren überrascht mich nicht und der Forschungsskandal in Göttingen ist kein Einzelfall, weil Wissenschaft immer häufiger zur Ware wird", sagt die Hamburger Biochemikerin Ulrike Beisiegel, Leiterin des Instituts für Molekulare Zellbiologie am Uniklinikum Eppendorf (UKE). Die Professorin ist auch Sprecherin des Ombudsgremiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

Diesem Gremium können ohne Namensnennungen Unregelmäßigkeiten bei wissenschaftlichen Arbeiten genannt werden. Der Hintergrund: Nach dem größten deutschen Forschungsskandal "Hermann und Brach" 1997 ließ die DFG durch eine internationale Kommission die Denkschrift "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" erstellen. In den Empfehlungen heißt es: "Jeder, der Wissenschaft zum Beruf hat, trägt Verantwortung dafür, die grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlicher Arbeit zu pflegen." Schon an den Empfehlungen hat die UKE-Professorin mitgearbeitet. Heute bekomme sie als Sprecherin des Ombudsgremiums im Jahr bundesweit rund 60 Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten, erklärte sie beim "4. Berliner Wissenschaftsgespräch", zu dem die Robert-Bosch-Stiftung eingeladen hatte. Das Thema: "Fälschung, Täuschung, Titelkauf - Wie sichert sich die Wissenschaft Qualität und Vertrauen?". "Auch aus Hamburg kommen Hinweise, da ist die Hansestadt keine Ausnahme", sagt die Wissenschaftlerin. An den designierten Präsidenten der Hamburger Universität, Dieter Lenzen, appelliert sie: "Das Ombudsgremium darf nicht länger auf Seite 27 der Uni-Homepage versteckt werden." Nur wenn die Universitätsleitungen die Ombudsarbeit bekannt machen, können Wissenschaftler das Gremium bei Verdacht auf Fehlverhalten informieren und so Forschungsskandalen vorbeugen. Über weitere Möglichkeiten, wie man verhindert, dass Forscher Fälscher werden, diskutierte Ulrike Beisiegel in Berlin mit Experten, unter ihnen: Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, Ex-Präsident der DFG, Prof. Dr. Stefan Hornbostel, Leiter des Institutes für Forschungsinformation und Qualitätssicherung, und Bernd Pulverer, Herausgeber "Wissenschaftliche Veröffentlichungen" bei der European Molecular Biology Organization (EMBO). Ulrich Schnabel, Redaktion Wissen ("Die Zeit"), moderierte das Gespräch in der Berlin-Brandenburger Akademie der Wissenschaften.

Mit der Erklärung "Publizieren ist die Währung und die Kopierfunktion ,copy and paste' ist eine Achillesferse der Wissenschaft" beschrieb Beisiegel eine Schwachstelle. Es sei oft nicht wichtig, was drinstehe, solange man draufstehe. Beiträge in führenden Wissenschaftsmagazinen wie "Nature" seien für den Lebenslauf eines Forschers entscheidend. Der Publikationsdruck steige und im Begutachtungsverfahren gelte oft: Was in "Nature" oder "Science" steht, muss nicht noch mal überprüft werden. Aber: Wissenschaftsmagazine suchten nicht systematisch nach Fälschungen, meinte Dr. Bernd Pulverer, früher Redakteur bei "Nature". "Forschungspolizei wollen und können wir nicht sein." Auch Prof. Wolfgang Frühwald forderte die Gutachter auf: "Namen dürfen nicht das oberste Prinzip sein." Prominente Forscher dürften nicht anders beurteilt werden als Nachwuchswissenschaftler. Jeder eingereichte Beitrag müsse überprüft werden. Beisiegels Vorschlag: Das Begutachtungsverfahren müsse verbessert, bei der Vergabe von Forschungsgeldern auf "Klasse anstatt auf Masse" gesetzt werden. Wissenschaftliches Fehlverhalten werde am besten dadurch verhindert, dass die Freude an der ehrlichen Forschung im Vordergrund stehe und "Hinweisgeber nicht als Petze" gelten. Früher sei die Frage gewesen:"Was hast du entdeckt?" Heute sei immer öfter die Frage "Wie viele Drittmittel hat du für dein Projekt gesichert?"

Möglich, dass schon Friedrich Schiller einen Hinweis auf die Wissenschaft als Ware gegeben hat. Ein kurzes Gedicht nannte er schlicht "Wissenschaft": "Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem Andern eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt."