Bundesgerichtshof verschiebt Urteil im Fall Greenpeace gegen Forscher. Es geht um Ethik und Moral - und die Vermarktung von Wissenschaft.

Der Streit um die Vermarktung des Lebens begann 1992 mit der Krebsmaus - das erste Säugetier mit Patent. Gestern musste der Bundesgerichtshof über einen neuen Fall entscheiden. Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle beharrt auf seinen Patentansprüchen, die vor drei Jahren nach einer Klage von Greenpeace vom Bundespatentgericht massiv eingeschränkt worden waren. Doch die Auseinandersetzung geht weiter. Der Bundesgerichtshof will jetzt zunächst vom Europäischen Gerichtshof Klarheit bekommen, wie mit "Biopatenten" umzugehen ist. Der Streit über "Patente auf Leben" wird leidenschaftlich geführt.

Auch im Vorfeld des gestrigen Gerichtstermins hatten die Kontrahenten keinen Zweifel daran gelassen, dass es um weit mehr als um Patentrecht geht. Es geht auch um Ethik und Moral.

Während Greenpeace vor einer "Embryo-Industrie" warnte und einen "Wegbereiter dieses Industriezweiges" aufhalten wollte, empörte sich Prof. Oliver Brüstle darüber, dass sein "geistiges Eigentum" nicht respektiert werde. Er verwies darauf, dass das Stammzellgesetz seine Forschung erlaube, und was legal sei, könne das Patentrecht nicht verbieten. Doch dürfen Zellen, die aus menschlichen Stammzellen gewonnen werden, überhaupt patentiert werden? Die Antwort auf diese Frage füllt zahlreiche Aktenordner.

Stammzell-Patente - die Chronik im Überblick

1995 beantragte Brüstle beim Deutschen Patentamt in München ein Patent auf eine Methode, mit der embryonale Stammzellen in Vorläufer von Nervenzellen umgewandelt werden können. 1999 wurde ihm das Patent erteilt. Zuvor hatte der Neurobiologe eine Studie vorgestellt. Sie schilderte, wie es ihm gelungen war, aus embryonalen Stammzellen von Mäusen spezielle Hirnzellen zu gewinnen. Mit diesen Zellen reparierte er das Gehirn von Ratten, die an einem der multiplen Sklerose ähnlichen Erbleiden litten. Oliver Brüstle, auch wissenschaftlicher Direktor der Bonner Biotech-Firma "Life&Brain", will auf gleichem Weg später Menschen helfen, deren Gehirne durch Alzheimer oder Parkinson zerstört werden.

Doch Greenpeace sah in diesem Patent einen gefährlichen Präzedenzfall und zog vor das Bundespatentgericht in München. "Es ging uns weniger um das strittige Thema Stammzellenforschung, sondern vielmehr um die grundsätzliche Frage, ob der Mensch, in diesem Fall menschliche Embryonen, patentierbar und damit kommerzialisierbar ist. Also um die Frage, ob wirtschaftliche Interessen über ethische Grundwerte gestellt werden", so Barbara Kamradt von Greenpeace. Unterstützung bekamen die Umweltschützer von Dr. Ingrid Schneider, Hamburger Expertin für Technikfolgenabschätzung in der Medizin. Sie warnte damals, dass "eine grundsätzliche Entscheidung darüber getroffen wird, ob menschliche embryonale Stammzellen und Verfahren, damit etwas herzustellen, in Deutschland patentierbar sind oder nicht patentierbar sind".

Greenpeace war vor dem Bundespatentgericht erfolgreich. Die Münchner Richter erklärten das Patent für nichtig, soweit es Zellen umfasst, die aus embryonalen Stammzellen von menschlichen Embryonen gewonnen werden. Das Gericht sah einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darin, dass für die patentierte Verwendung embryonaler Stammzellen früher einmal Embryonen zerstört werden mussten. In Deutschland erteilte Patente dürfen keinen kommerziellen Anreiz zur Zerstörung menschlicher Embryonen bieten.

Auch das Europäische Patentamt entschied 2008 in einem vergleichbaren Fall, dass Verfahren nicht patentiert werden dürfen, wenn sie zwangsläufig mit der Zerstörung von Embryonen einhergehen. Forschung ja, wirtschaftliche Verwertung nein - so die Gerichte. Ob diese Haltung auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wird?