Prof. Christian Möllmann vom KlimaCampus erklärt das Hamburger Rechenmodell zu den klimabedingten Veränderungen in der Fischwelt.

Hamburg. Die meisten kaufen ihren Fisch heute tiefgekühlt "à la Bordelaise". Meist handelt es sich, je nach Saison, um Seelachs oder Kabeljau aus der Familie der Dorsche. Welcher Fisch verfügbar ist, bestimmt künftig auch der Klimawandel. So gelangt durch die Zunahme starker Regenfälle mehr Süßwasser über die Flüsse in die Ostsee. Gleichzeitig wird sich voraussichtlich der Tiefenwasser-Zufluss aus der Nordsee verringern. Der Salzgehalt wird niedriger, was dem Dorsch nicht gefällt. Als Meeresfisch lebt er, was die Salzkonzentration anbelangt, in der Ostsee ohnehin am Limit. Auf den ersten Blick positiv sind Klimawandel und steigende Temperaturen für die Sprotte, mit dem Hering die Hauptnahrung des Dorsches. Als südliche Art hat sie es gern warm.

Kein Dorsch mehr in der Ostsee, aber mehr Sprotten? Das könnte passieren, besonders da diese sich von Dorscheiern ernähren. Beim Hering ist es ähnlich. Die Nahrungsbeziehungen zwischen den Arten sind komplex, normalerweise jedoch gut geregelt. Durch den Klimawandel geraten sie unter Druck.

Im Institut für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft am KlimaCampus ist es uns gelungen, sowohl die wechselseitigen Anhängigkeiten als auch die Veränderungen durch den Klimawandel in ein Rechenmodell zu integrieren. Das Ziel: langfristige Vorhersagen zur Entwicklung des Dorschbestands. Wir haben mehrere Szenarien durchgespielt. Ergebnis: Bliebe der Fischereidruck so hoch wie in den letzten Jahrzehnten, gäbe es mittelfristig auch ohne Klimawandel nur noch sehr wenige Dorsche in der Ostsee. Beziehen wir steigende Temperaturen und niedrigere Salzgehalte mit ein, beschleunigt sich der Prozess erheblich.

Erfreulicherweise zeigt das Modell auch: Sinkt der Fischereidruck, bleibt der Bestand in den nächsten 50 Jahren tendenziell stabil. Dies bestätigen Untersuchungen in Gebieten, wo Fischbestände schon jetzt umsichtig gemanagt werden. Hierbei können unsere Modelle helfen.

Die Klimaforschung in Hamburg genießt internationales Renommee und ist einer der wissenschaftlichen Leuchttürme der Stadt. 17 Uni-Institute, das Max-Planck-Institut für Meteorologie und das Institut für Küstenforschung des Geesthachter Forschungszentrums GKSS haben sich zum KlimaCampus zusammengeschlossen. Unter dem Motto "Neues aus der Klimaforschung" präsentieren Wissenschaftler des KlimaCampus den Abendblatt-Lesern einmal im Monat neueste Ergebnisse aus ihrem jeweiligen Forschungsgebiet.