Tierschützer schlagen Alarm: Dorn- und Heringshaie könnten in 50 Jahren ausgerottet sein, wenn die Jagd so weitergeht.

Sie erreichen nicht die Körpergröße ihrer großen Brüder. Und sind auch nicht so bissig. Trotzdem würde sich jeder, der in der Nord- oder Ostsee badet, über ihren grauen Schatten gehörig erschrecken. In den beiden Randmeeren leben mindestens elf Haiarten. Doch sie sind kleiner als die Angst schürenden Tiefseehaie und für Menschen ungefährlich. Es ist eher umgekehrt: Die Menschen bedrohen die Haie, denn sie haben sie zum Fressen gern.

Der Dornhai ist besser bekannt unter dem kulinarischen Namen Schillerlocke oder Seeaal, der Heringshai berühmt als schmackhafter Seestör oder Kalbsfisch. Doch der Appetit auf Hai setzt den Arten zu. So sind die Bestände weiblicher Dornhaie im Nordatlantik, wozu auch Nord- und Ostsee zählen, laut World Wide Fund for Nature (WWF) zu 95 Prozent gesunken - und das in den vergangenen zehn Jahren. Ähnliches gilt für den Heringshai, dessen Bestände sich im Nordatlantik in 40 Jahren um knapp 90 Prozent reduziert haben.

Diese beiden Haie sind zwei von fast 500 Arten. Das Spektrum reicht vom nur 15 Zentimeter großen Steuerschwanz-Katzenhai bis zum größten Fisch der Welt, dem Walhai. Weltweit werden jedes Jahr mindestens 100 Millionen Haie getötet, für Delikatessen, Trophäen oder als Beifang der Fischerei. Die Auswirkungen sind fatal: Experten gehen davon aus, dass die meisten Arten in weniger als 50 Jahren ausgestorben sein werden, wenn die Jagd in diesem Ausmaß weitergeht.

Während Dorn- und Heringshaie als ganze Tiere verarbeitet werden, gibt es auch das grausame "Finning": Den Tieren wird bei lebendigem Leib die Rückenfinne abgeschnitten. Die verstümmelten Fische werden zurück ins Meer geworfen, wo sie qualvoll sterben. Besonders im asiatischen Raum, wo die Rückenflossen Hauptbestandteil der Haifischflossensuppe sind, wird diese Art der Jagd betrieben; in Europa ist sie verboten. Neben der gezielten Jagd werden Haie häufig auch als Beifang versehentlich gefischt. Insbesondere bei der Langleinenfischerei, die unter anderem beim Thunfischfang eingesetzt wird, sind Haie oft ungewollte Beute. Dabei könnten die Tiere mit sogenannten Hai-Magneten vertrieben werden, bevor sie am Haken hängen, denn die Knorpelfische reagieren besonders sensibel auf magnetische Strahlung, lassen sich von ihr abschrecken.

Haie sind für Überfischung besonders empfindlich, weil sie eine niedrige Fortpflanzungrate haben. Späte Geschlechtsreife, lange Tragzeiten und eine geringe Anzahl von Nachkommen stellen evolutionsbiologisch eine "Vermehrungsbremse" dar. "Deshalb kann es eigentlich keine nachhaltige Fischerei geben", sagt Stephan Lutter vom WWF. Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat bereits 45 Haiarten als gefährdet eingestuft, darunter auch Dornhai und Heringshai. Eine der gefährdeten Arten ist bereits in freier Wildbahn ausgestorben, elf unmittelbar vom Aussterben bedroht. 49 weitere Arten gelten als potenziell gefährdet.

Artenschützer kritisieren, dass die Politik zu wenig für die Knorpelfische tut. In der Europäischen Union (EU) ist zwar das Finning seit sieben Jahren verboten, das heißt, es dürfen nicht mehr Haiflossen als dazugehörige Tiere auf Fischereibooten der Mitgliedstaaten zu finden sein. Aber die Kontrolle an Bord sei zu grobmaschig, bemängelt Lutter.

Auch die Fangmengen der einzelnen Arten werden jährlich von den EU-Fischereiministern festgesetzt; für den Dorn- und den Heringshai sollen sie im kommenden Jahr auf null gesetzt werden.

Zusätzlich soll ein im Februar verabschiedeter EU-Hai-Aktionsplan langfristig die Überfischung einschränken und Schutzgebiete für Haie sichern. "Es tut sich etwas, aber zu wenig. Haie sind noch immer akut bedroht", sagt Lutter.

Weltweit gestaltet sich der Schutz ähnlich schwierig. Beim Washingtoner Artenschutzabkommen (Cites), dem sich mittlerweile 175 Staaten angeschlossen haben, sind seltene Pflanzen- und Tierarten geschützt, indem der grenzüberschreitende Handel mit ihnen oder ihren Produkten verboten oder eingeschränkt wird. Nur drei Haiarten sind bisher dort vertreten.

Stephanie von Meibom von Traffic Europe, dem gemeinsamen Artenschutzprogramm des WWF und IUCN, fordert, dass zumindest auch Dornhaie bei Cites gelistet werden: "Der Konsum von Schillerlocken ist in Deutschland und Europa sehr hoch. Was in Europa gefangen wird, wird auch hier verkauft. Zusätzlich wird noch Ware importiert. Viele Konsumenten wissen nicht, dass Schillerlocken aus Haien gewonnen werden. Daher ist die Aufklärung wichtig."

Dabei ist der Verzehr von Haifischfleisch nicht ganz ungefährlich. So rät das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) insbesondere schwangeren und stillenden Frauen, den Verzehr von Haiprodukten zu vermeiden. Denn sie enthalten zum Teil hohe Konzentrationen des Gifts Methylquecksilber. Methylquecksilber wird beim Verzehr praktisch zu 100% vom menschlichen Körper aufgenommen. Es passiert die menschliche Blut-Hirnschranke ohne Probleme und gelangt so ohne Konzentrationsverlust in das Gehirn, was vielen anderen Giftstoffen nicht gelingt. Es kann das zentrale Nervensystem und auch lebenswichtige Organe schädigen und bei Ungeborenen zu Entwicklungsstörungen führen.

In Haifleisch finden sich besonders große Mengen dieser hochgiftigen Quecksilberform, da sie sich im Hai-Organismus nur sehr langsam abbaut. Gerade in großen und alten Fischen, die zudem - wie der Hai - am Ende der Nahrungskette stehen, lagern sich über die Zeit große Mengen des über die Beutetiere aufgenommenen Schadstoffs an.

Laut einer Untersuchung des BfR und Bundesumweltministeriums werden beim Verzehr einer 300-Gramm-Portion Haifleisch im Schnitt 0,23 Milligramm Methylquecksilber aufgenommen. Damit würde eine 70 Kilo schwere Person die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene "vorübergehende tolerierbare wöchentliche Aufnahme" um mehr als das Doppelte, bzw. den Tageswert 18-fach - in einigen Fällen sogar 35-fach - überschreiten. Frühestens nach etwa neun Monaten wird der zulässige Grenzwert wieder unterschritten. Offensichtlich sind tote Haie für Menschen gefährlicher als lebende.

Interessantes über Haie im Internet:
www.sharkproject.org
www.hai.ch
www.haiwelt.de