Bakterien können das gefährliche Methan nicht mehr ausreichend abbauen. Auch in der Ostsee wird der biologische Schutzschild brüchig, warnt Mikrobiologe Bo Jörgensen. Schon heute geben Ozeane, allen voran das Sibirische Schelfmeer an der nordrussischen Küste, das Treibhausgas Methan an die Atmosphäre ab. Diese klimaschädlichen Emissionen werden weiter zunehmen, warnt der dänische Mikrobiologe Prof. Bo Barker Jörgensen. "Auch in manchen Gebieten der Ostsee steigen vermehrt Methan-Gasblasen auf", sagt der renommierte Wissenschaftler, Träger des Deutschen Umweltpreises 2009 (s. Kasten). Zwei globale Trends verbinden sich zu einer unheilvollen Allianz: die Erwärmung und die Überdüngung der Ozeane.

"Wir wissen noch nicht, welcher der beiden Faktoren stärker wiegt", sagt Jörgensen, Direktor des Max-Planck-Instituts für marine Mikrobiologie in Bremen. Fest steht: Sie bringen das natürliche Gleichgewicht am und im Meeresboden durcheinander.

Dort leben Mikroorganismen, die aus abgestorbenen Pflanzenresten und anderem organischen Material Methan (CH4) produzieren. Die Winzlinge erhalten durch das künstlich erhöhte Algenwachstum reichlich Nahrung. Ihre Gegenspieler sind Bakterien, die als natürlicher Schutzschild für das Erdklima fungieren. Diese zerstören Methan, indem sie das Gas mit Hilfe von Sulfat zu Kohlendioxid (CO2) abbauen. Kohlendioxid ist zwar auch ein Treibhausgas, aber das Methan ist 23-mal klimawirksamer.

"Der biologische Schutzschild wird undicht", beschreibt Jörgensen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der jüngsten Zeit. In der Vergangenheit lief die Methanproduktion mit einer niedrigen Rate, sodass die Sulfat-Bakterien dafür sorgen konnten, dass nur wenig Methan in die Atmosphäre gelangt. Inzwischen haben sich die Methanströme, etwa am Grund des Sibirischen Schelfmeeres, beschleunigt - die Mikroorganismen kommen mit dem Abbau nicht nach.

Bislang sei unklar, wie viel Methan aus dem Schelfmeer entweiche, so Jörgensen. "Seismische Messungen zeigen, dass dort große Mengen Gasblasen aufsteigen. Die Blasen reflektieren den Schall und sind dadurch gut sichtbar." Im Wasser wie auch in der Atmosphäre seien bereits erhöhte Methan-Gehalte gemessen worden. Das russische Schelfmeer ist ein "Hotspot", weil es recht flach ist und Permafrost den Meeresboden (noch) versiegelt. Während der Dauerfrostboden an Land eine Durchschnittstemperatur von minus 12 Grad hat, liegen die Werte beim sogenannte submarinen Permafrost bei minus zwei Grad - entsprechend leichter taut der Boden auf und gibt Methan frei, wenn die Wassertemperatur steigt.

Aber auch in anderen Meeresregionen wird der "mikrobiologische Deckel", der das Klimagas am Meeresgrund hält, löchrig. So haben deutsche und englische Wissenschaftler vor Spitzbergen in einem kleinen Gebiet mehr als 250 Fahnen von Methan-Gasbläschen gezählt, die vom Meeresgrund aufstiegen. "Derart deutliche Anzeichen dafür, dass bereits Methan aus den Meeren freigesetzt wird, hatten wir nicht erwartet", kommentierte Projektteilnehmer Tim Minshull vom Nationalen Zentrum für Meereskunde an der Universität von Southampton die im August veröffentlichten Ergebnisse.

Die Wissenschaftler entdeckten die Blasenströme in Meerestiefen von 150 bis 400 Meter und damit in zu geringer Tiefe, als dass Methanhydrat eine Rolle gespielt haben könnte. Das ist eine gefrorene Verbindung aus Methanmolekülen, die von Wassermolekülen eingeschlossen sind. Ein Großteil des Methans am Meeresboden ist in diesen Wasserkäfigen gefangen. Inwieweit der Klimawandel das Methanhydrat destabilisieren wird, ist bislang kaum erforscht.

Bo Barker Jörgensens Interesse gilt aber erst einmal der Ostsee. In der zentralen und südlichen Ostsee seien er und seine Kollegen schon fündig geworden, etwa im sogenannten Stolpekanal östlich von Bornholm. Mit Messgeräten an Bord von Ostsee-Fähren wollen die Forscher dem unsichtbaren Klimagas Methan nun großflächig auf die Spur kommen.