Den Markt erobern derzeit Spiele, die durch Sprache und Gesten gesteuert werden. Die Zielgruppe sind Familien und Gelegenheitsnutzer.

Die Gamescom, Europas größte Computer- und Videospielemesse, startet heute in Köln, mit 200 000 Besuchern bis Sonntag. 420 Unternehmen aus 30 Ländern präsentieren Sport- und Musikspiele, Action und Abenteuer, Info- und Lernspiele. Ihre Hauptzielgruppe: Familien und Gelegenheitsspieler.

Gestandene Gamer müssen umdenken. Früher schickte man die Helden per Joystick, Controller oder Computermaus ins Abenteuer, während man selbst vor dem Bildschirm saß. Mit dieser Gemütlichkeit ist es vorbei: Fuchtelnd und hüpfend schlägt man sich heute durch digitale Welten. Kameras und Infrarotsensoren verfolgen jede Bewegung. Ein Ende der Entwicklung ist nicht zu sehen. Angetrieben vom Erfolg, den Vorreiter Nintendo mit seiner Wii-Konsole erlebte, präsentieren auch die Konkurrenten Sony und Microsoft ihre Vision einer bewegten Zukunft.

"Mixed Reality", eine Technologie, mit der Wissenschaftler auf Technikmessen Furore machten, soll dem unter Zugzwang geratenen Playstation-Hersteller Sony Aufwind verschaffen. Ein an einen Zauberstab erinnernder Controller mit leuchtender Kugel an der Spitze wird zum Universalwerkzeug, das sich in ein Schwert, einen Pinsel oder was sonst im Cyberspace gerade gebraucht wird verwandelt. Virtuell bewegt der Spieler dreidimensionale Objekte oder dirigiert Armeen. Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit, mit der wissenschaftliche Errungenschaften in die Unterhaltungskultur eingehen.

Mit "Projekt Natal" macht Microsoft den Spieler selbst zum Eingabegerät. Mit Gesten und gesprochenen Kommandos erobert er den imaginären Raum, bis Körper und virtuelle Welt nichts mehr trennt als die Grenzen des eigenen Vorstellungsvermögens. Vom Elfmeterschießen bis zum Action Painting mit bloßen Händen ist alles möglich.

Wenn es mehr als ein Joystick sein soll

Bitte recht freundlich

Videospielspaß der einen ins Schwitzen bringt

Der Videospiel-Analyst Winnie Forster, Autor der Standardwerke "Joysticks" und "Heimcomputer und Spielkonsolen", glaubt allerdings nicht an einen grundlegenden Wandel der Videospiellandschaft. "Eingabesysteme, die ohne Knöpfe und Steuerkreuz auskommen, werden Spieltypen verändern und neue schaffen, aber nicht die ganze Branche umkrempeln." Schließlich biete sich nicht jedes Genre zum Einsatz an. Ein Rennauto mit leeren Händen zu steuern sei nicht besser als mit einem Analog-Lenkrad. "Spiele, für die man den Körper bewegt oder mit denen man spricht, erobern sich einen Platz. Doch die besten entwickelten Organe zur Manipulation bleiben unsere Hände."

Dass nicht jeder bereit ist, den Trend zur Hyperaktivität vor dem Bildschirm mitzumachen, wird an der Nachfrage nach Controller-Generationen der 80er- und 90er-Jahre deutlich. Neben der Wii-Remote findet man stets auch den extrem reduzierten "Classic Controller" von Nintendo oder den digitalen Joystick der 80er-Jahre.

Besonders PC-Spieler setzen auf einen Mix aus Tradition und Weiterentwicklung. Für Gaming-Mäuse wie die "Kone" von Roccat oder die "Mamba" von Razer werden 70 bis 130 Euro ausgegeben. Solche Hightech-Mäuse glänzen mit schwindelerregenden Abtastraten, programmierbaren Multifunktionstasten und ausgefallenen Designs - von Spielern für Spieler entworfene Kultobjekte.

Wie geht es weiter? "Der Film brachte die Bewegung in die Welt der künstlichen Bilder, das Videospiel die Interaktion mit Bildern und Inhalten", sagt Videospielhistoriker Forster. "Beide Medien werden sich absehbar in technischer Hinsicht nur noch in kleinen Schritten entwickeln." Dennoch zweifelt er nicht daran, dass es bald virtuelle Welten gibt, die den Spieler als Cyberspace komplett umgeben. Die Frage sei dann, "ob es sich bei solchen Virtual-Reality-Ausflügen noch um ein Computer- und Videospiel handelt oder ob nicht eine neue, vielleicht die finale Form der Darstellungs- und Ausdrucksformen erreicht ist."