Lässt sich der Temperaturanstieg mit Eingriffen in das Erdsystem bremsen? Der Klimaexperte Prof. Hartmut Graßl ist skeptisch.

Lässt sich die globale Erwärmung auch ohne eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes bekämpfen? Darüber wird heiß gestritten. Hier einige Vorschläge, die der ehemalige Leiter des Weltklimaforschungsprogramms, der Hamburger Meteorologe Hartmut Graßl, im Gespräch mit dem Abendblatt bewertet.

Kohlendioxid einlagern

Zur Idee, das Treibhausgas Kohlendioxid in der Erde zu versenken, statt es aus den Kohlekraftwerken entweichen zu lassen, gibt es bereits Pilotprojekte. "Die CCS-Technik, das Carbon Capture and Storage, ist nur sinnvoll, wenn wir nicht zügig in das Zeitalter der regenerativen Energien einsteigen", kritisiert Graßl. "Denn eine Nebenwirkung dieser Technik ist, dass Kohle eine Alternative bleibt, ohne wirklich eine langfristige Alternative zu sein." Ohne Risiken sei die Technik auch nicht. Wenn große Mengen Kohlendioxid aus unterirdischen Lagern unkontrolliert entweichen, kann das zu einer Katastrophe führen. Dies geschah am Nios-See in Kamerun: Im August 1986 setzte der See schlagartig rund 1,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid frei. Wie eine unsichtbare Lawine rollte das Gas vom höher gelegenen See in die dicht besiedelten Täler und verdrängte dort die Atemluft. 1700 Menschen und alle Tiere - selbst die Fliegen - starben. Ein solches Drama lasse sich aber verhindern, sagt Graßl. Man müsste das unliebsame Gas nur in die bezüglich Kohlendioxid ungesättigten, salzhaltigen Wasserleiter in den Kontinentalsockeln pumpen. "Das haben die Norweger bereits gemacht."

Mehr Plankton im Meer

Die Kleinpflanzen im Meer, das Phytoplankton, verbrauchen beim Wachstum Kohlendioxid. Mit einer Düngung weiter Teile des Ozeans mit dem Mikronährstoff Eisen wollen die Forscher das Wachstum des Phytoplanktons anregen. Das könnte zu einer Abnahme des Kohlendioxids in der Atmosphäre führen.

Wie wirksam diese Strategie sein kann, hat im August 2008 die Natur selbst getestet. Bei einem Ausbruch des Vulkans Kasatochi auf den Aleuten wurde eine Aschewolke bis zu zehn Kilometer hoch in die Luft geschossen. "Große Mengen des Staubes und damit viel Eisen gelangten in den nördlichen Pazifischen Ozean. Das Eisen regte das Wachstum des Planktons an, auf einer Fläche von einer Million Quadratkilometern kam es zu einer späten Algenblüte. Damit wurde zunächst mehr Kohlendioxid verbraucht", sagt Graßl. Aber ob es auf Dauer wirklich aus der Atmosphäre verschwindet? Die letzten Experimente, die deutsche Forscher auf der "Polarstern" im südlichen Polarmeer durchführten, haben diese Hoffnung nicht bestätigt. Graßl warnt: "All diese Dinge sind Manipulation bei Halbwissen und deshalb gefährlich."

Die Atmosphäre verschmutzen

Das gilt auch für die Idee des Nobelpreisträgers Paul Crutzen, die 2006 für Wirbel sorgte. Falls die Klimapolitik scheitert, schlug er als Notlösung vor, bis zu 5,3 Millionen Tonnen Schwefel pro Jahr mit riesigen Ballons in die höheren Schichten der Atmosphäre zu transportieren. Dort sollen die winzigen Sulfat-Partikel die Rückstreuung der Sonnenenergie ins All erhöhen. "Es ist durchaus noch nicht klar, ob die Luftverschmutzung in der unteren Atmosphäre den zusätzlichen Treibhauseffekt wesentlich bremst", merkt Graßl an. Crutzen räumte später ein, er habe damit eigentlich nur ein großes Forschungsprogramm über die obere Atmosphäre anregen wollen.

Weltweit Wälder aufforsten

Wälder sind Kohlenstoff-Speicher. Viele Wissenschaftler setzen deshalb auf Waldschutz und Aufforstungen, um den Klimawandel zu bremsen. Graßl ist da skeptischer: "Wer Gebiete aufforstet, in denen wie in Russland oder Kanada über längere Zeit im Jahr Schnee liegt, macht die Erde noch wärmer. Denn aus der oft von November bis Mai hellen Oberfläche wird eine ganzjährig dunkle gemacht." Zwar würden die Bäume mehr Kohlendioxid aufnehmen, "aber das kompensiert nicht die Sonnenenergiemenge, die die dunklere Oberfläche vermehrt aufnimmt". Eines sei jedoch unbestreitbar: Die Zerstörung der Regenwälder müsse gestoppt werden, denn diese Wälder sind wirkliche Kohlenstoffsenken und Horte der biologischen Vielfalt. "Und in Deutschland darf gern mehr Wald wachsen."

Die Erde verschieben

Der abgehobenste Vorschlag kam von der Nasa. Um die Erwärmung zu stoppen, wollen Wissenschaftler der US-Raumfahrtbehörde die Erde auf eine weiter von der Sonne entfernte Umlaufbahn hieven. Geboren hat diese Idee ein Team um Gregory Laughlin. Ihr Plan: Man bringt einen der Kometenkerne, die sich in der Oortschen Wolke, dem Kuiper- oder Asteroidengürtel tummeln, mit einer Explosion auf eine geänderte Bahn, sodass der Himmelskörper immer wieder dicht an der Erde vorbeirast. Dadurch wird die Erde langsam aus ihrer Umlaufbahn gebracht. Allerdings haben die Wissenschaftler selbst einige Bedenken: Der Ansatz sei, so Laughlin, nicht ganz ungefährlich. Falls die Berechnungen fehlerhaft seien, könnte der riesige Himmelkörper die Erde treffen. Irdisches Leben würde ausgelöscht werden.