Farbschichten an Flugzeugen müssen Temperaturen von minus 60 bis plus 60 Grad standhalten - und das viele Jahre.

Hamburg. Passagierflugzeuge müssen schön sein. Fluggäste steigen lieber in einen Flieger, der ihnen durch kräftige Marken-Farben und glänzenden Lack signalisiert, dass die Maschine annähernd fabrikneu ist oder aber hervorragend gepflegt wird. Um Flugzeuge auf Hochglanz zu bringen, sind kosten- und zeitaufwendige Lackierverfahren im Einsatz. Ein neues System kommt mit deutlich weniger Lackschichten aus und verspricht zudem eine bessere Haltbarkeit - die Weltneuheit stammt aus Hamburg.

Flugzeuglacke müssen widerstandsfähig sein. Im Flug sind sie klirrender Kälte von minus 50 bis minus 60 Grad ausgesetzt, auf dem Rollfeld kann es 50, 60 Grad heiß werden. Die Deckschichten müssen flexibel sein (die Tragfläche eines Großflugzeugs schwingt an den Spitzen um bis zu drei Meter), dazu schmutzabweisend und leicht zu reinigen. Den Lackierern und der Umwelt zuliebe sollten sie möglichst wenig Lösemittel und keine Giftstoffe enthalten.

"Wir haben unser Lacksystem über sechs bis sieben Jahre entwickelt, davon drei Jahre lang zusammen mit Airbus", sagt Andreas Ossenkopf von der Firma Mankiewicz. Das mittelständische Unternehmen (gut 800 Mitarbeiter) mit Hauptsitz in Wilhelmsburg stellt seit mehr als 100 Jahren Lacke her, auch für die Flugzeugindustrie, allerdings bislang nicht für die Außenhaut der Maschinen. Um in diesem Markt Fuß zu fassen, war eine ganz neue Technik gefragt.

Herkömmliche Lacke werden in zwei, zum Teil in drei Schichten pro Farbton aufgetragen. Die Hauptfläche ist meist weiß oder grau, je nach Design der einzelnen Fluglinien werden dann weitere Schmuckfarben aufgetragen. Bei jedem Farbwechsel sind Trockenzeiten von acht bis zwölf Stunden einzuhalten. Bis eine Maschine mit vielfarbigen Insignien die Lackierhalle verlassen kann, vergehen dadurch mehrere Tage - dieser Stillstand verursacht hohe Kosten bei der Flugzeugwerft und bei der Airline.

Das neue Lacksystem kommt mit jeweils einer Schicht je Farbton aus, weil die Lacke deutlich mehr Pigmente enthalten und dabei dennoch gute Fließeigenschaften haben - "dies liegt an einer besonderen Molekülzusammensetzung des Bindemittels", verrät Ossenkopf. Bei einem Farbwechsel muss nur noch zwei Stunden lang gewartet werden, bis die frisch aufgetragene Lackschicht trocken ist. Auch hier spielt die neuartige Rezeptur des Bindemittels die Hauptrolle.

Anders als bei herkömmlichen Verfahren ist zum Schluss allerdings eine zusätzliche Schicht nötig. Ein Klarlack schützt, ähnlich wie bei modernen Autokarosserielacken, die Farbschichten vor UV-Strahlung und sorgt für den Hochglanz, der besonders haltbar ist, so der Hersteller. Der Klarlack schaffe zudem eine glattere Oberfläche, die weniger leicht verschmutzt und besser zu reinigen sei.

Diese Vorteile sieht auch Dr. Matthias Panten, Leiter der Flugzeuglackierung bei Lufthansa Technik in Hamburg. "Die Farbschicht, der sogenannte Basecoat, deckt sehr gut, sodass pro Farbe eine dünnere Schicht entsteht. Das spart Gewicht und macht die Beschichtung flexibler." Allerdings kalkuliert Lufthansa Technik noch nicht mit der Gewichtsersparnis, denn die Unterschiede der Schichtdicken liegen im Bereich von einigen Hundertstel Millimetern und hängen in der Praxis auch davon ab, dass die Lackierer das neue Produkt optimal handhaben. Das Potenzial, zukünftig einige Gewichtsprozente zu sparen, sei aber auf jeden Fall vorhanden, attestiert der Lufthansa-Experte.

Noch mehr Hoffnung knüpft Panten an die Haltbarkeit des Lackes: "Derzeit werden die Maschinen alle fünf bis sieben Jahre neu lackiert. Dabei werden alle Farbschichten, oft auch die Grundierung, abgetragen. Das System mit dem Klarlack könnte sieben bis neun Jahre halten. Wenn die Praxis diese Prognose bestätigt, könnten wir im Laufe eines Flugzeuglebens von 30, 40 Jahren ein bis zwei Lackierungen sparen. Das senkt die Kosten und hilft der Umwelt."

Lufthansa testet in diesem Jahr das neue Lackiersystem an zwei Kurzstrecken- und zwei Langstreckenflugzeugen, darunter am ersten A380 der Airline. Sein Seitenleitwerk bekam bereits im Mai das blau-gelbe Kranichzeichen, der Rumpf wird im Dezember lackiert.

Die vier Maschinen sind Neubauten. "Lufthansa Technik ist dabei, das System auch für Nachlackierungen zu zertifizieren", so Panten. Die niederländische Konkurrenz KLM ist ein Schritt weiter: Sie appliziert den Wilhelmsburger Hightech-Lack bereits auf gebrauchte Maschinen; insgesamt tragen bereits 23 KLM-Flugzeuge Hamburger Farben, wenn auch nicht Rot-Weiß.

Diese Farbkombination ziert den ersten Jet mit Mankiewicz-Lacken. Er ist seit Dezember 2007 im Einsatz und stammt vom anderen Ende der Welt: ein damals neuer Airbus 330 der australischen Fluglinie Qantas. Airbus feierte die Lackiertechnik als "Schlüsselelement, um umweltschonendere Flugzuge zu bauen und die Öko-Effizienz zu steigern" - ein echtes Glanzstück.