Das künstliche Insulin Lantus steht in Verdacht, das Krebsrisiko für Diabetiker zu erhöhen. Darauf deuten drei Studien hin.

Unter den analysierten Studien, die einen möglichen Zusammenhang zwischen dem künstlichen Insulin und einem erhöhten Risiko für Krebserkrankungen herstellen, ist eine aus Deutschland mit knapp 130 000 Patienten. Der Lantus-Hersteller Sanofi-Aventis verweist dagegen auf klinische Studien mit 70 000 Patienten, die die Sicherheit des Mittels belegten. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine vierte, recht kleine britische Studie.

Nach Daten der deutschen Studie erkrankten aber die mit dem Insulin Lantus (Inhaltsstoff Glargin) behandelten Diabetiker des Typ-2 insbesondere bei hohen Dosierungen etwas häufiger an Krebs als diejenigen, die menschliches Insulin (Humaninsulin) spritzen. Konkret: Von 100 Patienten, die über eineinhalb Jahre hinweg Glargin verwenden, bekäme einer eine Krebsdiagnose, die er sonst nicht erhalten hätte. In Deutschland nehmen, so der "Spiegel", 500 000 Diabetiker das Medikament.

Die Europäische Gesellschaft für die Erforschung von Diabetes (EASD) empfiehlt dringend, weitere Studien zum möglichen Krebsrisiko zu starten. Bis zum Ergebnis der neuen Studien sollten Patienten, die Lantus nehmen, dies auch weiterhin tun. EASD gibt das Journal "Diabetologia" heraus, in dem die vier Studien veröffentlicht sind ( www.diabetologia-journal.org ).

"Unsere Auswertung ist zwar kein eindeutiger Beweis, dass Glargin Krebs fördert", sagte Prof. Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und Mitautor der deutschen Studie, "wenn man aber keinen guten Grund hat, Glargin zu spritzen, sollte man zu Humaninsulin greifen." Patienten, die Lantus nehmen, sollten einen Arzt aufsuchen. An der deutschen Studie mit Daten der Jahre 2001 bis 2005 war auch die AOK beteiligt.

"Das synthetische Insulin ist an drei Stellen gegenüber dem natürlichen Protein verändert", erläutert UKE-Professorin Ulrike Beisiegel im Abendblatt. "Das könnte die Struktur des Insulins so verändern, dass es wie ein Wachstumsfaktor wirkt und damit die Entstehung von Tumoren begünstigt." Es sei nötig, so die Diabetes-Expertin, diesen Fragen erneut nachzugehen.

Forscher des IQWiG betonen, dass sie nur einen statistischen Zusammenhang entdeckt haben. Es könne sein, dass nicht Glargin, sondern noch unbekannte Faktoren die Ursache des höheren Risikos sind. Für die zwei kurz wirksamen künstlichen Insuline Lispro und Aspart fand die IQWiG-Studie kein erhöhtes Krebsrisiko. Das lang wirksame Insulin Detemir ist laut Sawicki nicht getestet worden, weil es erst später auf den Markt kam.