Desinfektionsmittel: Antibakterielle Wirkstoffe finden sich zunehmend in alltäglichen Wasch- und Reinigungsmitteln. Ökologen und Mediziner halten dies für gefährlich und warnen vor dem breiten Einsatz der keimtötenden Chemikalien.

Anno 1907 brachte die Firma Henkel mit "Persil" das erste selbsttätige Waschmittel auf den Markt - Reiben, Rubbeln und Bleichen hatten ein Ende. Damit, so Henkel, löste "Persil" eine friedliche Revolution in der Waschküche aus. Längst ist daraus ein erbitterter Konkurrenzkampf entbrannt. Die Hersteller fahren immer schwerere Geschütze gegen Flecken und Grauschleier auf. Ihre neueste Waffe: antibakterielle Waschmittel, die Keime abtöten sollen. Vor ihnen warnen Mediziner und Umweltexperten. 108 Desinfektionswaschmittel sind nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) auf dem Markt. Diese Produkte seien blanker Unsinn, meinen Ökologen und Mediziner. Die keimtötenden Wirkstoffe können Kläranlagen beeinträchtigen und dazu führen, dass Schadstoffe in Flüsse, Seen und Meere gelangen, womöglich auch das Trinkwasser belasten, warnt das UBA. Und das Robert-Koch-Institut weist darauf hin, "dass die möglichen Folgen einer Veränderung der natürlichen Hautflora des Menschen durch antibakteriell ausgerüstete Verbraucherprodukte nicht absehbar sind". Auch die Libra-Initiative gegen Antibiotika-Resistenzen des Pharmakonzerns Bayer hält den Gebrauch von antibakteriellen Seifen für langfristig gefährlich. Ungeachtet der Tatsache, dass bislang kein wissenschaftlicher Beweis dafür veröffentlicht sei, dass diese Mittel Infektionen verhindern, zeigten Studien, "dass der regelmäßige und weit verbreitete Einsatz antibakterieller Mittel die Entstehung von Bakterien mit Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika fördert". Diese Gefahr überwiege klar den fragwürdigen Vorteil dieser Produkte, heißt es auf der Internet-Seite von Libra (www.librainitiative.com). Die Zeitschrift "Öko-Test" haut in dieselbe Kerbe und betont den geringen Nutzen: "Im Praxistest beseitigten die als antibakteriell ausgelobten Produkte die Bakterien nicht besser als herkömmliche Reiniger", auch diese bekämpfen Mikroorganismen. Es sei "kein Wunder, dass einige der antibakteriellen Produkte - wie das Vollwaschmittel ,Ariel Hygiene Antibac' oder das Geschirrspülmittel ,Dawn Antibakteriell' von Fairy - aus den gleichen Inhaltsstoffen bestehen wie konventionelle Mittel", so die Öko-Tester. Eine Angst vor widerwärtigen Keimen provoziert, was sie verhindern will, warnen Mediziner. Denn eine sterile Umgebung schwächt das menschliche Immunsystem. "Das natürliche Abwehrsystem des Menschen ist lernfähig und muss trainiert werden", betont Jürgen Knop, Direktor der Hautklinik an der Universität Mainz. In einer Umgebung, die mit Desinfektionsmitteln möglichst keimfrei gehalten werde, sei das Immunsystem zu wenig gefordert, stellt auch der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) fest. Immer mehr Experten vertreten die so genannte Schmuddel-Theorie, die besagt, dass vor allem in früher Kindheit der Kontakt mit Keimen und bestimmten Infekten vor Allergien schützt. So fanden Forscher an der Berliner Charite heraus, dass Säuglinge, die im ersten Lebensjahr häufig Schnupfen haben, später seltener an Asthma erkranken. Und nach einer vom bayerischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie leiden Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, 15-mal seltener an Heuschnupfen und Asthma als Kinder aus nicht bäuerlichen Familien. Daher appelliert Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) an die Hersteller, antibakterielle Reiniger nicht mehr zu vermarkten und insbesondere nicht mit diesen Eigenschaften zu werben: "Suggerieren Sie den Verbrauchern nicht länger, sie wären überall von feindlichen Keimen umgeben, die sie aggressiv bekämpfen müssten." Weitere Informationen im Internet : (zu Wasch- und Reinigungsmitteln) www.umweltbundesamt.de