Spätfolgen: Die Experten im Krankenhaus der Bundeswehr in Hamburg helfen

Ein junger Mann betritt ein Schnellrestaurant in Hamburg. Als er eine Gruppe südländisch aussehender Männer sieht, kauert er sich plötzlich reflexartig auf den Boden. Eine Szene, die auf Außenstehende skurril oder komisch wirkt. Dabei ist das Verhalten des Bundeswehrsoldaten eine deutlich sichtbare Spätfolge seines Einsatzes im Krisengebiet Kosovo. Seine übrigen inneren Kämpfe bleiben der Umwelt jedoch verborgen. Im Hamburger Bundeswehr-Krankenhaus, das zurzeit von der Schließung bedroht ist (das Abendblatt berichtete), werden Soldaten wie er behandelt. Ihr Problem: Sie leiden unter posttraumatischen Belastungsstörungen.

"Der Betroffene ist aus dieser Lage nicht mehr zurückgekommen", erklärt der leitende Psychologe der Abteilung VI für Neurologie und Psychiatrie, Klaus Barre. "Bei seinen Patrouillenfahrten konnte hinter jedem Fenster eine tödliche Gefahr lauern." Deshalb ist, obwohl seit langem wieder in Hamburg, für seine Seele der Einsatz nicht vorbei: Das zum Überleben notwendige hohe Erregungsniveau und die Anspannung bleiben - Reizbarkeit und Aggressivität kommen dazu. Schon ein geringfügiger Anlass, die berühmte Fliege an der Wand, kann dann der Auslöser eines Wutausbruchs sein.

"Einige berichten, dass sie ihre Kinder bei der Hausaufgabenhilfe geschlagen haben, was sie früher nie getan hätten", sagt Dr. Karl-Heinz Biesold, der leitende Arzt der Abteilung VI. In akuten Fällen sind die Männer nicht aggressiv, sondern gefühlsmäßig taub. "Sie spüren keine Gefühlsregung mehr, weder Freude noch Trauer." In der Klinik werden sie erst einmal in ihrem Alltag stabilisiert. Sie lernen unter anderem, sich vom Erlebten zu distanzieren. "Dazu üben sie, die Erinnerung wie in einen Tresor einzuschließen und nur zur Behandlung wieder herauszuholen", sagt Barre.

Viele versuchen beinahe instinktiv, die Erinnerung an das Erlebte zu vermeiden: Sie ziehen sich zurück, trinken oder nehmen Drogen. "Einige werden depressiv, meiden Freunde und vermeiden bewusst oder unbewusst bestimmte Orte, damit sie nicht von ihren Gefühlen überschwemmt werden", bestätigt Biesold. Die schlimmste Ausprägung kann das "Berserker-Syndrom" sein, wenn Soldaten, die aus dem Krieg zurückkehren, Amok laufen und sich und andere Menschen töten.

In der Bundeswehr hat die Zahl der traumatisierten Patienten mit Anzahl und Qualität der Einsätze - von Bosnien-Herzegowina über das Kosovo bis Afghanistan - zugenommen. Deshalb wurde seit 1995 der "Schwerpunkt Psychotraumatologie" im Hamburger Bundeswehr-Krankenhaus ausgebaut.

Neben der Konfrontation mit dem schockierenden Erlebnis werden mit Hilfe einer speziellen Therapie blockierte Verarbeitungsprozesse zwischen den beiden Gehirnhälften wieder in Gang gesetzt.

Was sich bei Traumatisierungen im Einzelnen abspielt, ist mittlerweile auch biochemisch nachweisbar - die Reaktionen des Gehirns. Ziel ist, das traumatisierende Ereignis für den Betroffenen dahin zu führen, was es tatsächlich ist: eine schlimme, aber vergangene Erfahrung.