Zukunftsforscher und Architekten planen Hochhäuser mit Grünflächen, auf denen Bäume oder Gemüse wachsen.

Peking/Frankfurt. Wenn nach Prognosen der Vereinten Nationen im Jahr 2050 mehr als sechs Milliarden Menschen in Städten leben werden, müssen die Metropolen nicht grau und bedrohlich aussehen, so wie es Fritz Lang in seinem Filmklassiker "Metropolis" apokalyptisch dargestellt hat, glaubt der in Peking lebende Stararchitekt Ole Scheeren. In Singapur beispielsweise hat Scheeren einen Hochhauskomplex entworfen, bei dem die Türme nicht einfach im Raster aufgestellt, sondern umgelegt und versetzt übereinandergelegt wurden. Durch die so entstandenen Innenhöfe und die vielen begrünten Dächer gebe es dort mehr Grün- als bebaute Grundfläche.

Nicht nur Bäume und Wiesen kehren zurück in die Stadt, sondern auch die Landwirtschaft. Das sei gar nicht so verrückt, wie es klingt, sagt der Geschäftsführer des Zukunftsinstitutes in Kelheim/Frankfurt, Andreas Steinle. "Die New Yorker hielten im 19. Jahrhundert häufig Hühner auf ihren Dächern." Mit der Industrialisierung hätten die Menschen die Natur aus den Städten verdrängt. Jetzt kehrt sie zurück. "In New York entwickeln sich neue Formen des Urban Farming, der innerstädtischen Landwirtschaft", sagt Steinle. Und auch in Hamburg wird Grünzeug auf Dächern groß. So wachsen etwa auf dem Gartendeck St. Pauli oberhalb einer Tiefgarage Gemüse und Kräuter in Gemeinschaftsgärten heran. Zunehmend würden Stadtdächer auch für die Imkerei oder die Hobby-Hühnerzucht genutzt, so Steinle.

+++Wie Grünflächen die Stadt kühlen+++

Neben Hühnern und Bienen können Städter auf ihren Dächern dank des sogenannten Aquaponic auch Fische und Gemüse aufwachsen lassen. Und das gemeinsam. Bei dem System werden die Nährstoffe aus der Fischfarm als Düngemittel für die Aufzucht der im Wasser stehenden Nutzpflanzen genutzt. Diese filtern wiederum das Wasser, das dann zurück ins Fischbassin fließt. Das Aquaponic-System der Urban Farmers, einem Ableger der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft, verbrauche durch den Kreislauf 80 bis 90 Prozent weniger Wasser als der herkömmliche Anbau, betonen die Schweizer.

Die Vision von der Landwirtschaft in den Citys der Großstädte hat auch Professor Dickson Despommier von der New Yorker Columbia Universität. Seine Idee: die vertikale Farm, bei der Gemüse quasi in Hochhäusern mitten in den Zentren der Metropolen wächst. Eine solche Farm steht beispielsweise in Kyoto (Japan), wo mehr als sechs Millionen Salatköpfe pro Jahr gezüchtet werden. Der von Despommier erdachte Ackerbau für die Stadt kann 365 Tage im Jahr überall auf der Welt betrieben werden. Er ist unabhängig von Wetter, Jahreszeiten und Standort. Zudem sei die Landwirtschaft unter Dächern viel effizienter als bisherige Anbaumethoden. Ein überdachter Acre (etwa 4000 Quadratmeter) entspreche je nach kultivierter Pflanze vier bis sechs Freiland-Acres, bei Erdbeeren sogar 30.

Mit der vertikalen Farm könnte nach Ansicht von Despommier der Hunger der ständig wachsenden Zahl an Stadtbewohnern gestillt werden. Um genügend Lebensmittel für die 6,3 Milliarden Städter im Jahr 2050 zu produzieren, wäre bei herkömmlichem Anbau laut Despommier eine Fläche von einer Milliarde Hektar nötig. Zum Vergleich: Brasilien hat eine Fläche von rund 850 Millionen Hektar.

Diese Beispiele zeigen, dass die Stadt der Zukunft nicht zugebaut und verstopft sein müsse. Vielmehr müssten vorhandene Flächen sinnvoll genutzt werden, meint Steinle. Das gelte auch für Wohnraum. In Frankfurt gebe es mit dem "Minimum Impact House" bereits eine Immobilie, die eine Häuserspalte ausnutze und auf einer Fläche von 29 Quadratmetern 154 Quadratmeter Nutzfläche schaffe. "Es geht darum, Lücken zu finden", sagt der Zukunftsforscher. Zudem müssten sich die Menschen in den Metropolen mit starkem Zuzug künftig mit kleineren Wohnungen zufriedengeben.

Das Fortbewegungsmittel von morgen seien unsere Füße, mit denen wir von A nach B gehen oder in die Fahrradpedale treten. Zudem wird laut Steinle ein Mix aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln, die nahtlos ineinander greifen, eine wichtige Rolle spielen. Der Städter steige beispielsweise vom Fahrrad in die Bahn und anschließend ins Elektroauto. Berlin hat im Sommer 2011 mit einer Mobilitätskarte experimentiert, mit der Bus und Bahn ebenso genutzt werden können wie Carsharing-Autos und Leihfahrräder. Im Herbst, spätestens im Winter, soll sie für alle Nutzer verfügbar sein.

Dem Pekinger Architekt Ole Scheeren geht es weniger um die Nutzung des öffentlichen (Straßen-)Raums, sondern mehr um die Gebäude, in die er mit den konstruierten Grünflächen vielfältige Funktionen integrieren will. So auch bei seinem Projekt Angkasa Raya, das er derzeit in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur baut. Dort wachsen drei Hochhaustürme in den Himmel, an deren Basis und auf 120 Metern Höhe mehrgeschossige Zentren mit Geschäften, Bars, Restaurant, Terrassen entstehen. Zum Konzept gehören tropische Gärten, die die Zwischendecks zu Stadtoasen machen sollen - wenn auch als Erholungsräume und nicht zum Anbau von Lebensmitteln.