Rund 900 Millionen Buchstaben: Mit der Entschlüsselung wurden neue Informationen über die Evolutionsgeschichte der Gemüsepflanze gewonnen.

London. Caprese, Arrabiata oder Salat - aus all diesen Gerichten ist die Tomate nicht wegzudenken. Sie ist der Deutschen liebstes Gemüse. Nun haben Forscher haben Erbgut der Tomate entschlüsselt und damit neue Informationen über die Evolutionsgeschichte der wichtigen Gemüsepflanze gewonnen. Das Genom der Zuchttomate Solanum lycopersicum umfasst insgesamt rund 900 Millionen Buchstaben des genetischen Codes, enthält dabei aber erstaunlich wenige Wiederholungen, wie die Wissenschaftler feststellten. Das mache die Tomate sehr ungewöhnlich unter den Blütenpflanzen. Von ihren wilden Vorfahren unterscheidet sich die heutige Zuchttomate nur um 0,6 Prozent – dies entspricht rund 5,4 Millionen veränderten Genbuchstaben.

Diese Änderungen seien größtenteils das Ergebnis der jahrhundertelangen Züchtung von besonders ertragreichen und fleischigen Tomatensorten, berichtet das aus mehr als hundert Wissenschaftlern bestehende Tomato Genome Consortium im Fachmagazin „Nature“ (doi:10.1038/nature11119). Insgesamt fanden die Forscher Spuren von sieben verschiedenen Wildtomatenarten im Erbgut der Zuchttomate.

+++Wie Tomaten zu ihrem guten Geschmack kommen+++

Die Kenntnis des Tomaten-Erbguts könne zukünftig dabei helfen, gezielter neue Sorten zu entwickeln. „Die neu entschlüsselten Genom-Sequenzen liefern uns aber auch die Basis zu verstehen, welche Ereignisse die genetische Vielfalt der Zuchttomaten im Laufe der Zeit verringerten“, schreiben die Forscher des Tomato Genome Consortiums. Zuerst geschah dies durch die Domestikation der Wildtomate auf dem amerikanischen Kontinent durch die indianischen Ureinwohner. Dann brachten Seefahrer im 16. Jahrhundert nur wenige Tomatenpflanzen nach Europa, aus denen viele der heute mehr als 2.500 Tomatensorten entstanden. All diese Ereignisse engten die anfänglich große Vielfalt der wilden Arten immer stärker ein.

Die Analyse des Tomatenerbguts zeigte auch, dass die Tomate und die mit ihr eng verwandte Kartoffel im Laufe ihrer Entwicklung gleich zwei Mal ihr Erbgut verdreifachten. Das erste Mal erfolgte bereits lange bevor, sich beide Gruppen von anderen Blütenpflanzen abtrennten. Die zweite Genverdreifachung aber erfolgte vor 71 Millionen Jahren und nur bei den gemeinsamen Vorfahren von Tomate und Kartoffel, wie die Forscher feststellten.

Durch die Verdreifachungen des Erbguts wurden Gene gestärkt, die die Größe und Qualität der Frucht förderten – und damit ihrer Verbreitung zugutekamen. „Fleischige Früchte sind ein wichtiges Mittel, um Wirbeltiere anzulocken, die diese Früchte fressen und die Samen über ihren Kot verbreiten“, sagen die Wissenschaftler. Die Forscher fanden bei ihrer Analyse allein 50 neu gewonnene Gene. Diese beeinflussen, wie sich die Zellwände der Tomate bei der Reifung verändern. Die Zellwand-Beschaffenheit gilt als ein wichtiger Faktor für das Mundgefühl beim Essen einer Tomate.

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler zwei Tomatensorten analysiert: die Zuchttomate „Heinz 1706“ und die Wildtomate Solanum pimpinellifolium. Dabei erfassten sie sowohl die Lage der einzelnen DNA-Abschnitte auf den zwölf Chromosomen als auch die Anzahl der Genkopien. Die Ergebnisse verglichen sie mit dem bereits zuvor entschlüsselten Genom der Kartoffel sowie mit dem der Weintraube und der zu den Kreuzblütlern gehörenden Ackerschmalwand.