Um Nord- und Ostsee besser helfen zu können, müssen zusätzliche Daten gesammelt werden, betonten Experten beim Symposium in Hamburg.

Hamburg. Algenblüten, Sauerstoffmangel, Schadstoffe in Muscheln oder in den Lebern von Fischen - Nord- und Ostsee sind noch weit entfernt von einem "guten Zustand", den die EU für die Meeresgebiete ihrer Mitglieder bis 2020 einfordert. Um dies zu erreichen, müsse zunächst die Meeresüberwachung verstärkt werden, sagte Monika Breuch-Moritz. "Vor den Entscheidungen über Maßnahmen braucht man Informationen über das Meer", sagte die Präsidentin des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie auf dem Meeresumwelt-Symposium ihrer Behörde, zu dem sich gestern und heute gut 400 Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft, Verwaltung und Umweltverbänden in Hamburg trafen.

Im Vergleich zu Beginn der Umweltüberwachung vor rund 40 Jahren ist die Situation heute komplizierter geworden. Schadstoffe wie Flammschutzmittel aus Elektronikgeräten, Kunststoffweichmacher oder Pharmazeutika gelangen vermehrt in die Nord- und Ostsee. "Die Schadstoffuntersuchungen von Abwasser wird immer komplexer", sagte Cindy Mathan vom Umweltbundesamt (UBA). Mit chemischen Analysen sei die Vielzahl von Substanzen kaum noch zu erfassen. Deshalb würden oft biologische Methoden eingesetzt, bei denen etwa Leuchtbakterien, Grünalgen oder Krebstierchen die Wassergüte anzeigten.

Mathan arbeitete am Cohiba-Projekt mit, das die Belastung der Ostsee mit gefährlichen Schadstoffen erfasst und Maßnahmen zur Reduzierung der Stoffe vorschlägt. Das gerade abgeschlossene Projekt der Ostseeanrainer nahm elf Substanzen oder Substanzgruppen ins Visier, die alle giftig und langlebig sind und sich in Meeresorganismen anreichern. Dazu gehörten etwa Dioxine, das (inzwischen verbotene) Insektengift Endosulfan, Tributylzinn-Verbindungen aus Schiffsanstrichen oder Chlorparaffine (Weichmacher und Bindemittel). Ergebnis: Alle Ostseeregionen außer dem nordwestlichen Kattegat sind mit den Substanzen belastet.

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Besonders hohe Einträge fanden die Forscher bei den Chlorparaffinen. Zudem habe sich gezeigt, dass kommunale Kläranlagen eine bedeutende Schadstoffquelle seien, sowohl über ihr Abwasser als auch durch den sorglosen Umgang mit dem Klärschlamm vor allem in den baltischen Staaten, sagte Dr. Frank Marscheider-Weidemann vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, der für das UBA die Emissionsquellen betrachtete. Nicht nur klassische Schadstoffe bestimmen die Wasserqualität, sondern auch Nährsalze und Sauerstoff. Letzterer bildet die Lebensgrundlage der Meerestiere und -pflanzen, während zu viele Nährstoffe (verschiedene Stickstoffverbindungen und Phosphat) das Ökosystem schädigen. Sie bilden die Basis für Algenblüten, die, wenn die Algen anschließend verrotten, dem Wasser Sauerstoff entziehen.

Die Stickstoffeinträge aus den Flüssen in die Nordsee sind zwar deutlich gesunken, dennoch leidet die Deutsche Bucht weiterhin unter einer zu hohen Belastung, auch aus der Luft. Bei der Ostsee sei dagegen der Phosphatgehalt entscheidend, sagte Prof. Ulrich Bathmann, Leiter des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde. "Dort lebende Blaualgen können Stickstoff aus der Atmosphäre verwerten. Dadurch ist nicht der Stickstoff, sondern das Phosphat der Engpass für das Algenwachstum und verhindert eine massenhafte Vermehrung." Durch den Eintrag von Phosphaten, etwa aus der Landwirtschaft, werde dieser Engpass aufgehoben, so Bathmann. Auf dem Symposium forderte Bathmann eine intensivere Meeresüberwachung. Dazu gehörten Langzeitdaten, um Langzeittrends wie den Klimawandel zu erforschen. Zudem müssten die Ostseeanrainer noch besser zusammenarbeiten und mehr Daten austauschen. Die Zukunft liege in der automatisierten Überwachung.

Vorbildlich sei hier das Nordsee-Observationssystem Cosyna. Das System des Helmholtz-Zentrums Geesthacht verknüpft Daten von Satelliten, stationären Messungen an Pfählen, von Bojen und von Messboxen, die auf Fähren installiert sind, mit den Ergebnissen von Forschungsfahrten und Computermodellen.

Doch selbst diese umfangreiche Datensammlung genügt nicht den Ansprüchen der EU-Meeresstrategie und dem dort verankerten Leitbild von gesunden Meeren. Dr. Joachim Voß vom Landesumweltamt Schleswig-Holstein nannte auf dem Symposium weitere Kriterien für die Meeresgesundheit, darunter sind die biologische Vielfalt, der sichere Bestand kommerziell genutzter Fischarten, die Integration nicht heimischer Arten in das Ökosystem und der Zustand des Meeresgrunds.