Eine neue Testanlage an der Technischen Universität prüft Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen für Flugzeuge, Züge und Windräder.

Hamburg. Es dürfte einiges zu Bruch gehen, wenn die teuerste Maschine der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) loslegt. Aber das ist ganz im Sinne der Erfinder. Denn die sogenannte Hexapod-Prüfanlage wird die Stabilität von Bauteilen aus Faserverbundwerkstoffen testen, die in Flugzeugen, Zügen und Windkraftanlagen zum Einsatz kommen sollen. Das Besondere der drei Meter hohen und vier Tonnen schweren Konstruktion ist, dass sie auch größere Objekte, etwa eine Bordküche oder Elemente aus dem Rumpf eines Fliegers, prüfen kann, wobei sie die Belastungen des realen Flugbetriebs viel genauer simuliert, als es bisher möglich war.

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Die Ergebnisse sollen dabei helfen, Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen leichter und zugleich zuverlässiger zu machen. Der Start der Hexapod-Prüfanlage markiere den „Beginn eines neuen Kapitels der Forschung im Bereich Leichtbau und Werkstofftechnik in Deutschland“, sagte Prof. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestern, als er mit Hamburgs Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) die Maschine vor etwa 100 Gästen einweihte. TUHHPräsident Prof. Garabed Antranikian sagte, mit der Prüfanlage eröffneten sich „neue Perspektiven in den für Hamburg wichtigen Bereichen Luftfahrt und erneuerbare Energien“. 3,54 Millionen Euro haben die Maschine und die für sie gebaute Halle gekostet; 2,8 Millionen zahlte die DFG, 440 000 gab die TUHH dazu, 300 000 Euro zahlte die Wissenschaftsbehörde. Neben der TU Harburg erhält deutschlandweit nur noch die TU Braunschweig ein ähnliches Gerät; acht weitere Bewerber hatten das Nachsehen.

Das Potenzial von Faserverbundstoffen wird noch unzureichend genutzt

Der Aufwand und die Aufregung haben damit zu tun, dass Faserverbundmaterialien für viele Anwendungen als Werkstoffe der Zukunft gelten. So sind etwa Glas- oder Kohlenstofffasern im Verbund mit Harz (GFK/CFK) bis zu ein Drittel leichter als Aluminium und nur halb so schwer wie Stahl. Gleichzeitig können diese Verbundfaserwerkstoffe bestimmte Belastungen erheblich länger verkraften, als Metalle dies vermögen – zumindest lassen Experimente das vermuten. Was faserverstärkte Bauteile aushalten, können Forscher bisher unter anderem nur an kleinen Proben testen, die sie einzelnen Belastungen aussetzen. Das heißt, sie sorgen entweder für Druck, Zug oder Verdrehung (Torsion). Im realen Betrieb überlagern sich diese Belastungen jedoch. Computersimulationen können diesen Mangel zum Teil ausgleichen, auch wenn sie vergleichsweise aufwendig sind: Um etwa die Elastizität von CFK zu berechnen, müssen 21 Werte berücksichtigt werden – bei Stahl sind es nur zwei. Doch es bleibt eine Unsicherheit. Das ist umso bedeutender, als es um gewichtige Dinge geht: Die Rotorblätter der großen Windkraftanlagen, die aus GFK gefertigt werden, sind auf eine Lebensdauer von 30 Jahren mit Millionen von Umdrehungen ausgelegt; ebenso lange unbeschadet sollen Flugzeugelemente aus CFK funktionieren. Deshalb konstruieren die Hersteller solche Teile vorsichtshalber dicker – und schwerer als womöglich nötig.

„Metallische Werkstoffe nutzen wir ingenieurmäßig seit etwa 250 Jahren, Faserverbundwerkstoffe hingegen seit etwa 60 Jahren. Deshalb können wir das Potenzial dieser Materialien erst zu einem kleinen Teil nutzen“, sagt Prof. Karl Schulte vom Institut für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe an der TUHH. Mit der Hexapod-Anlage wollen der Ingenieur und seine Kollegen mehr aus den Werkstoffen herausholen.

Die Maschine besteht aus sechs hydraulischen Zylindern, die mit ihren Füßen starr auf einer Bodenplatte befestigt sind und mit ihren Köpfen an einer beweglichen Platte. Die zu prüfenden Bauteile werden zwischen den beiden Platten befestigt oder – sofern es sich etwa um eine Bordküche handelt – auf der oberen Platte. Derart fixiert, lassen sich die Testobjekte auf mehreren Achsen in den drei Raumrichtungen belasten. Unter anderem mit Sensoren und Filmaufnahmen werden die Wissenschaftler Belastungen und Verformungen im Material messen; mit Ultraschallgeräten sowie mit Licht- und Elektronenmikroskopen werden sie Risse untersuchen.

Drei Gruppen teilen sich die neue Maschine: Das von Karl Schulte geführte Institut für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe wird bis zu 1,50 Meter große quadratische Werkstücke aus Faserverbundstoff testen. Das Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik an der TUHH unter der Leitung von Prof. Dieter Krause, das unter anderem mit Airbus zusammenarbeitet, wird Flugzeugteile prüfen. Und das Institut für Zuverlässigkeitstechnik unter der Leitung von Prof. Uwe Weltin soll faserverstärkte Gummidämpfer (Elastomere) testen, die zum Beispiel in ICE zum Einsatz kommen könnten.

Mehr über die Forschung mit Verbundwerkstoffen: www.abendblatt.de/cfk