Klimawandel könnte 20 Prozent aller Eidechsenarten bis 2080 ausrotten, weil sie nicht mehr genug jagen können

Treibt der Klimawandel die Temperaturen weiter in die Höhe, könnte die Hitze bis 2080 jede fünfte Eidechsenart ausrotten. Das befürchten der Biologe Barry Sinervo von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen. Die flinken Reptilien ziehen sich nämlich ab bestimmten Hitzegraden in den Schatten zurück und warten reglos auf Abkühlung. Steigen die Temperaturen, werden die Zwangspausen häufiger und länger, in denen die Eidechsen nicht jagen. Der Klimawandel verschlechtert so die Ernährungslage vor allem der Eidechsen, die bereits jetzt in wärmeren Regionen in der Nähe ihrer physiologischen Hitzegrenze wohnen.

Barry Sinervo kam diesem Zusammenhang auf die Spur, als er das Schicksal von 48 Eidechsenarten in 200 Gebieten Mexikos untersuchte. Seit 1975 waren zwölf Prozent dieser Arten verschwunden. Stutzig machte den Ökologen vor allem, dass in keinem einzigen Fall der Lebensraum der ausgestorbenen Eidechsen verschwunden war. Ganz im Gegenteil lebten die meisten der inzwischen verschwundenen Arten in Schutzgebieten.

Abnahme der Jagdtemperaturen durch ein Experiment belegt

Den Klimawandel als Schuldigen entlarvten die Forscher mit einem Experiment, dessen Ergebnisse sie jetzt im Fachjournal "Science" veröffentlichten: Sie bauten Apparate, die sich bei einem Sonnenbad ähnlich erwärmen wie eine Eidechse. Jeweils vier Monate lang standen die Geräte in Gebieten, in denen die Eidechsen entweder bereits verschwunden waren oder noch munter umher flitzten. Ein Chip zeichnete die Temperatur auf. Das Ergebnis war eindeutig: In allen Regionen, in denen die Eidechsen verschwunden waren, registrierten die Chips einen dramatischen Rückgang der Zeiten mit Temperaturen, in denen die Eidechsen jagen.

Mit ihren Daten entwickelten die Forscher ein Modell, das mit der höchsten Lufttemperatur, der Körpertemperatur, bei der die jeweilige Eidechsenart noch aktiv ist, und den Stunden, in denen die Hitze den Tieren eine Zwangspause verpasst, das Aussterberisiko für die untersuchte Art ausrechnet. Genau für die Gebiete, aus denen die Eidechsen bereits verschwunden waren, sagte das Modell ein Aussterben der flinken Reptilien voraus, wenn man es mit den Daten aus den Chips für dieses Gebiet fütterte.

Besonders Madagaskar dürfte vom Reptiliensterben betroffen sein

Als nächstes trugen Barry Sinervo und seine Kollegen alle vorhandenen Daten für die weltweit rund 300 Eidechsenarten zusammen und gaben sie mit den wahrscheinlichen zukünftigen Höchsttemperaturen in ihr Modell ein. Weltweit dürften demnach bis zum Jahr 2050 sechs Prozent aller Eidechsenarten aussterben. Bis zum Jahr 2080 schnellt diese Zahl auf 20 Prozent. Die Aussterbewelle trifft vor allem die Arten, die bereits heute nahe der Temperaturobergrenze leben. Besonders stark dürfte zum Beispiel die tropische Insel Madagaskar betroffen sein.

Der Prozess ist bereits voll im Gang, berichtet Barry Sinervo: "Jedes Jahr finde ich eine Eidechsenpopulation nicht mehr, weil sie inzwischen ausgestorben ist." Rasche Maßnahmen zum Bremsen des Klimawandels kämen bis 2050 schon zu spät, könnten aber viele der für 2080 ausgerechneten Aussterbekandidaten retten.