Wissenschaftler enträtseln, warum Dinosaurier so riesig werden konnten

Kleiner Kopf, riesiger Körper - das zeichnet die Giganten der Urzeit, etwa den Brachiosaurus, aus. Seit Langem rätseln Forscher, warum die sogenannten sauropoden Dinosaurier so viel größer wurden als heutige Landtiere. Denn während der Brachiosaurus es auf eine Länge von 23 Metern und eine Höhe von zwölf Metern brachte, wirkt das aktuell größte Landtier, der Elefant, im Format acht mal drei Meter eher zwergenhaft. Forscher der Universität Bonn glauben jetzt, den Schlüssel zum Riesenwuchs erkannt zu haben: Die Riesen-Dinos kauten ihre Nahrung nicht, sondern schlangen sie einfach herunter.

Je größer ein Tier ist, desto mehr Zeit braucht es, um seinen Nahrungsbedarf zu stillen. Der Elefant verbringt täglich 18 Stunden mit Fressen. "Das führt uns zu einem der vielen Rätsel, vor die uns der Riesenwuchs der Sauropoden stellt", erklärt Prof. Martin Sander von der Uni Bonn: "Die waren nämlich so groß, dass der Tag 30 Stunden hätte haben müssen, damit sie ihren Kalorienbedarf decken konnten."

Sander ist Sprecher einer internationalen Forschergruppe, die im Fachblatt "Biological Reviews" nun eine Erklärung liefert, wie die Riesen-Dinos zeitsparend satt wurden: Sie schlangen ihr Futter herunter, während heutige Pflanzenfresser mehr oder weniger gründlich kauen. Das kostet Zeit.

Zerkautes Futter bringt aber auch Vorteile. Es lässt sich im Tiermagen besser verdauen, da es eine größere Oberfläche hat. Dadurch können die Verdauungsenzyme besser angreifen. Schon die Urahnen der Säugetiere hätten ihr Futter zu Brei zermahlen, so Sander, von dieser Gewohnheit habe sich keines der großen pflanzenfressenden Landtiere je verabschiedet.

Kauen ist nicht nur zeitaufwendig, es verlangt auch einen großen Kopf, um das starke Gebiss und die dazu passende Kaumuskulatur unterzubringen.

Die schlingenden Giganten kamen dagegen mit einem relativ kleinen Schädel aus. Er war relativ leicht und konnte deshalb mühelos von extrem langen Hälsen getragen werden. Diese sorgten wiederum dafür, dass sich die 80 Tonnen schweren Tiere nicht allzu viel bewegen mussten: Sie konnten vor 200 Millionen Jahren die jurassische Savanne in einem weiten Umkreis abgrasen, ohne einen Schritt zu tun. Dass dies gerade für die schwersten Dinos ein Vorteil war, zeigt die Tatsache, dass die kleineren Arten im Verhältnis zu ihrer Körperlänge viel kürzere Hälse hatten.

Der Verdauungsvorgang selbst dürfte bei den Urzeitechsen aufgrund der fehlenden Mahlzähne einige Tage gedauert haben, schätzen die Forscher. Die Dino-Mägen waren aber so groß, dass sie dennoch rund um die Uhr genügend Energie lieferten. Zudem war der Stoffwechsel ausgesprochen leistungsfähig. Die Pflanzenfresser grasten die Savanne unter anderem nach Schachtelhalmen ab, vermutet das Bonner Forscherteam, sie seien ausgesprochen energiereich. Dennoch haben sich die eng mit den Farnen verwandten Pflanzen als Tierfutter nicht durchgesetzt. Heute ernähren sich nur wenige Arten von ihnen. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass Schachtelhalme schlecht für die Zähne sind: "Sie enthalten sehr viel Silikat, das wie Schmirgelpapier wirkt. Solange man sie nicht kaut, sondern nur ausrupft und einfach herunterschlingt, ist das aber kein großes Problem. US-Forscher haben zudem kürzlich festgestellt, dass Sauropoden ihre Zähne ausgesprochen oft erneuert haben - einige gar im Monatsrhythmus", berichten die Bonner Forscher.

Auch in Bezug auf die Vermehrung waren die Urzeittiere im Vorteil. "Bei heutigen Säugetieren nimmt die Reproduktion mit zunehmender Größe ab - Elefanten haben weniger Nachkommen als beispielsweise Büffel und sind deshalb stärker durch Ausrottung gefährdet. Die Dinosaurier waren zwar noch viel größer, hatten aber dennoch eine hohe Reproduktionsrate, denn sie legten Eier", sagt Martin Sander. Dies habe es ihnen erleichtert, auch unter widrigen Bedingungen zu überleben.

Die Bonner Dino-Forscher wollen sich als Nächstes der Frage zuwenden, warum auch die Raubsaurier deutlich größer wurden als die heutigen fleischfressenden Tiere - ein T. Rex wog sieben bis acht Tonnen. Sander: "Unsere Arbeitshypothese lautet: Die Raubsaurier konnten deshalb so groß werden, weil das Futterangebot so groß war" - und das im doppelten Sinne.