Heute wird der Weltraumfrachter in Bremen verladen und zum europäischen Weltraumbahnhof nach Kourou gebracht

Auf der ersten Etappe seiner Reise ist "Johannes Kepler" noch Passagier. Vier Schwertransporter holen das nach dem deutschen Astronomen benannte Frachtraumschiff heute Nacht im Bremer Astrium-Werk ab. Zusammen mit einer Oberstufe der Ariane-Rakete wird es auf ein Schiff verladen und zum europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Franz. Guayana) transportiert.

Von dort aus soll der offiziell als ATV (Automated Transfer Vehicle) bezeichnete Weltraumfrachter Ende dieses Jahres Ausrüstungsgüter zur Internationalen Raumstation ISS bringen. Neben dem Weltraumlabor "Columbus" ist das ATV der wichtigste Beitrag Europas zu dem multinationalen Forschungskomplex im Orbit.

Der reibungslose Flug des ersten Raumschiffs "Jules Verne" im März 2008, der mit einem perfekten Andockmanöver endete, bedeutete damals einen großen Prestigegewinn für die europäische Raumfahrt. Es sei das "am weitesten entwickelte Vehikel, das je in Europa entworfen und gebaut wurde", sagt Olivier de la Bourdonnaye, ATV-Programmmanager bei EADS Astrium.

Dabei ist das ATV-2 noch ein bisschen besser als das erste. 130 Verbesserungsvorschläge seien nach der gründlichen Analyse der ersten ATV-Mission formuliert worden, sagt Nico Dettmann, Leiter des ATV-Produktionsprogramms bei der europäischen Weltraumorganisation Esa. Daraus gingen 30 technische Veränderungen hervor, die nicht nur das eigentliche ATV betreffen, sondern auch Einrichtungen am Boden oder die Organisation der Arbeitsabläufe. Sie sind nicht unbedingt Reaktionen auf Unzulänglichkeiten des ATV-1, sondern teilweise durch die Änderungen an der Raumstation erzwungen, die in der Zwischenzeit vorgenommen wurden.

Als gravierendste Fehlfunktion beim Flug vom ATV-1 "Jules Verne" nennt Dettmann ein Versagen der Druckregelung im Antriebssystem, das jedoch automatisch erkannt und durch ein Reservesystem aufgefangen wurde. Nach einer Analyse des Fehlers konnte das betroffene System noch am gleichen Tag wieder in Betrieb genommen werden. Das ATV-2 "Johannes Kepler" wurde jedoch mit veränderten Druckreglern ausgestattet. Zu den Verbesserungen bei "Johannes Kepler" zählt auch die Möglichkeit, in letzter Minute noch begrenzte Mengen von Ausrüstung zu laden. Damit lässt sich beispielsweise auf kurzfristig benötigten Bedarf auf der ISS reagieren. Bis zu 28 Cargo Transfer Bags (CTBs) mit einer Gesamtmasse von maximal 700 Kilogramm können noch kurz vor dem Start im ATV verstaut werden.

Ein besonderer Vorzug des ATV zeigt sich aber erst, wenn es entladen ist: Es ist dann der ruhigste Bereich der Raumstation, in der ansonsten ein ständiger Lärmpegel wie an einer stark befahrenen Straße herrscht. Zwei russische Kosmonauten sollen sich daher mal zur Nachtruhe ins ATV zurückgezogen haben. Das war natürlich nicht erlaubt, unter anderem weil das ATV nicht für den nötigen Strahlungsschutz ausgelegt ist. Aber wer hätte sie daran hindern sollen?

Um für eine Standpauke mal eben zur Internationalen Raumstation zu fliegen, bräuchte man ein geeignetes Raumschiff. Das ließe sich auf Grundlage des ATV durchaus entwickeln. Der erste Schritt bestünde darin, das ATV rückkehrfähig zu machen, um Fracht auch von der ISS zur Erde transportieren zu können. Bislang wird das ATV abgekoppelt, nachdem es seine Aufgaben erfüllt hat, und verglüht in der Atmosphäre. Nicht gerade ein ruhmreicher Abgang für das "am weitesten entwickelte Vehikel Europas".