Kometen waren wohl nicht die Hauptquelle für irdisches Wasser, zeigen Messungen der Raumsonde am Kometen „Tschuri“. Asteroiden-Einschläge könnten zu Weltmeeren beigetragen haben.

Bern. Fast drei Tage lang mussten sie zittern: Nachdem das Mini-Labor „Philae“ am 12. November in einer Schrägstellung auf dem Kometen Tschuri gelandet war, verfolgten insbesondere jene Wissenschaftler nervös das Geschehen, die an den Instrumenten beteiligt sind, mit denen der Roboter die Oberfläche des Himmelskörpers erforschen sollte. „Philaes“ Batterien leerten sich, seine Solarzellen bekamen nicht genug Licht ab. Dennoch sendete das Minilabor alle gewonnenen Daten, bis es sich schließlich abschaltete.

Kathrin Altwegg von der Universität Bern konnte das Drama im All relativ entspannt verfolgen. Denn ihr Augenmerk gilt „Rosetta“. Die Sonde, die „Philae“ absetzte, hatte den Kometen bereits im August erreicht und begonnen, ihn zu umkreisen. Seitdem sind die Geräte an Bord des Orbiters pausenlos im Einsatz und senden Daten zur Erde. Alles läuft wie geplant. Während die „Philae“-Leute noch auswerten, legt ein Team um Altwegg nun die erste große Studie über den Kometen vor. Veröffentlicht wird sie im Journal „Science“.

In der Arbeit geht es um eine der wichtigsten Fragen der „Rosetta“-Mission: Kam einst durch Kometeneinschläge ein Teil des Wassers auf die Erde, aus dem die Ozeane entstanden? Neue Hinweise liefert das Instrument Rosina, das Moleküle in der Gashülle um Tschuri analysiert. Demnach ist zumindest Tschuris Kometenfamilie wohl nicht die Hauptquelle des irdischen Wassers, berichten die Forscher um Altwegg. Das Wasser des Kometen unterscheide sich deutlich vom Wasser der irdischen Ozeane.

Das Instrument Rosina besteht aus zwei Massenspektrometern und einem Drucksensor. Mit der Massenspektrometrie lässt sich die Masse von Molekülen messen. Auf diese Weise erkennen Chemiker die Zusammensetzung von Verbindungen und Gemischen, weisen Dopingjäger verbotene Substanzen im Urin nach, fahnden Umweltanalytiker nach Giften wie Dioxin und analysieren Physiker wie Kathrin Altwegg die Gashülle von Kometen, die Koma.

Die Koma bildet sich, wenn Kometen auf ihren Bahnen der Sonne nahe kommen. Dabei erhitzt sich die Oberfläche der aus Eis, gefrorenem Gas und Staub bestehenden Brocken, so dass Gas und Staub austreten. Woraus genau sich diese Hülle bei Tschuri zusammensetzt, analysiert das Instrument Rosina. Bisher ging es dabei vor allem um Wasserstoff, einen Bestandteil des Wassers.

Schwerer Wasserstoff kommt auf Tschuri häufiger vor

Ein normales Wassermolekül setzt sich aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom zusammen. Dabei besteht der Atomkern von normalem Wasserstoff lediglich aus einem Proton. Es kommt aber auch vor, dass ein Wasserstoffatom zusätzlich ein Neutron im Atomkern besitzt. Die Rede ist dann von schwerem Wasserstoff oder Deuterium. Die Messungen von Rosina zeigten, dass schwerer Wasserstoff auf Tschuri mit einem Anteil von 0,5 Promille dreimal häufiger vorkommt als in den irdischen Ozeanen.

Frühere Messungen an anderen Kometen hatten einen deutlich niedrigeren Anteil von schwerem Wasserstoff ergeben. Als 2010 der Komet Hartley 2 an der Erde vorbeiflog, gelang es Forschern, mit dem Weltraumteleskop Herschel Infrarotstrahlung aufzufangen, die Wassermoleküle in der Koma des Kometen aussendeten. Demnach wies Hartley 2 fast das gleiche Verhältnis von normalem zu schwerem Wasserstoff auf wie irdisches Wasser. Sowohl Hartley 2 als auch Tschuri stammen wohl aus dem Kuipergürtel, einer Region jenseits der Planetenbahnen am Rand unseres Sonnensystems, in dem sich Asteroiden (Kleinplaneten), Kometen und kleinere Objekte tummeln.

Offensichtlich schwanke der Anteil von schwerem Wasserstoff innerhalb dieser Kometenfamilie stark, sagt Kathrin Altwegg. Dennoch müsse man vermuten, „dass der Durchschnitt aller Kometen im Kuipergürtel ein höheres Deuterium-Verhältnis hat als der Durchschnitt der Erde“, sagt die Physikerin. „Damit kann das irdische Wasser nicht alleine von Kometen aus dem Kuipergürtel kommen.“

Asteroiden-Einschläge könnten zu Ozeanen beigetragen haben

Die Erkenntnisse rücken wieder stärker Asteroiden als Wasserquelle in den Fokus. Auch Einschläge dieser Himmelskörper könnten zu den Ozeanen beigetragen haben.

Womöglich war die Erde aber schon seit ihrer Entstehung ein wasserreicher Planet, spekulierte ein Forscherteam vor kurzem ebenfalls im Journal „Science“. Die Wissenschaftler hatten Anteile von normalem Wasserstoff und schwerem Wasserstoff in sehr alten Meteoriten vom Asteroiden Vesta gemessen. Vesta kreist im Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter um die Sonne und ist damit in derselben inneren Region unseres Systems entstanden wie die Erde. Die analysierten Bruchstücke von Vesta formten sich wohl nur 14 Millionen Jahre nach der Geburt des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren. Die Analyse zeigte, dass die uralten Vesta-Meteoriten dasselbe Verhältnis der beiden Wasserstoffvarianten besitzen, wie es in den irdischen Ozeanen herrscht. Dies legt nahe, dass es im inneren Sonnensystem von Anfang an viel Wasser gab und nicht nur in den eisigen Außenbezirken, wie oft vermutet.

Nur spekulieren können Forscher bisher auch zur Entstehung des Lebens. Eine Möglichkeit ist, dass durch Kometeneinschläge organische Moleküle auf die Erde kamen. Die „Rosetta“-Mission soll das klären. Alternativ kommen auch Asteroideneinschläge in Frage. Wie Forscher anhand von Laserexperimenten vor kurzem zeigten, könnte die Energie der Einschläge ausgereicht haben, um aus der Verbindung Formamid die Grundbausteine des Lebens – die Nukleinbasen Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil – entstehen zu lassen. von Marc Hasse und Till Mundzeck