Sollten sich die Batterien des Mini-Labor wieder aufladen, wäre laut Projektleiter sogar ein Anbohren des Kometen möglich. Derweil rast „Tschuri“ von der Sonde „Rosetta“ begleitet Richtung Sonne. Experten erwarten spektakuläre Einblicke, wenn sich der Schweif des Kometen bildet. Das auf dem kosmischen Brocken schlummernde Mini-Labor „Philae“ könnte ein Comeback haben.

Darmstadt. „Tschuri“ wird nicht aus den Augen gelassen. Das auf dem Kometen gelandete Mini-Labor „Philae“ ist wegen Strommangels zwar in einem Dornröschenschlaf – die Raumsonde „Rosetta“ beobachtet „Tschuri“ an seiner Seite aber weiter. Voraussichtlich im kommenden August ist der Komet der Sonne am nächsten. Auf seinem Weg dorthin wird er mit seinem Schweif auf die zunehmende Hitze reagieren – ein Schauspiel, das noch nie aus dieser Nähe beobachtet wurde.

In Kometen stecken die wahrscheinlich ältesten weitgehend unveränderten Reste, als sich vor 4,6 Milliarden Jahren das Sonnensystem bildete. Wissenschaftler hoffen, durch Experimente Antworten auf die Frage zu bekommen, wie Leben auf der Erde entstand.

Möglicherweise wird aber nicht nur „Rosetta“ den sich verändernden Koloss – mit vollem Namen „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“ – unter die Lupe nehmen können, sondern auch „Philae“. Mitte November war das Mini-Labor nach zehnjähriger Reise auf dem Kometen gelandet. So etwas hatte es in der Geschichte der Raumfahrt noch nie gegeben. Allerdings kam „Philae“ erst nach zwei Sprüngen in Schieflage auf dem Kometen mit der geringen Anziehungskraft zum Stehen und begann zu forschen – bis die Batterien leer waren. Das Labor könnte aber wieder aufwachen.

Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hofft, dass „Tschuri“ Geheimnisse aus der Entstehungszeit des Sonnensystems verrät. „Umso wärmer der Bursche in der Nähe der Sonne wird, desto mehr Gase kommen aus seinem Innern. Was aus dem Innern kommt, ist unverändert“, meint Gabriele Arnold, „Rosetta“-Wissenschaftlerin am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.

„Rosetta“ soll Kometen erschmecken

„Der Komet wird Richtung Sonne sehr viel aktiver werden“, sagt Andrea Accomazzo, Flugdirektor bei der Europäischen Weltraumagentur Esa in Darmstadt. „Das wird interessant.“ Von dem kosmischen Brocken, dessen Aussehen mit einer Quietsche-Ente verglichen wird, ist schon bekannt, dass er nach faulen Eiern und Pferdestall stinkt. Dies könnte noch überboten werden. „Rosetta“ habe Instrumente dabei, „mit denen „Tschuri“ auch erschmeckt werden könnte“, meint Accomazzo.

„Rosetta“ und „Philae“ haben insgesamt etwa 20 Instrumente an Bord. Zu denen der Sonde gehört auch „Virtis“ vom DLR, an dem Arnold mitarbeitet. Das Spektrometer soll die Zusammensetzung und Temperatur der Kometenoberfläche messen und die Gasmoleküle in der Koma um den Kometenkern erfassen. „Virtis“ hat entdeckt, dass die Oberfläche nicht nur von Eis, sondern auch von dunklem Staub bedeckt ist.

Die Landung von „Philae“ lief zwar nicht ganz glatt, könnte aber nächstes Jahr noch einmal eine Erfolgsstory werden. Das Labor befindet sich nach seinen Hopsern auf „Tschuri“ an einer schattigen Stelle. Nachteil: Batterien können nur schwer aufgeladen werden. Vorteil: Der befürchtete Hitzetod wegen „Tschuris“ Nähe zur Sonne ist bei weitem nicht mehr die Gefahr.

Kann „Tschuri“ sogar angebohrt werden?

Sollte „Philae“ wieder hellwach sein, besteht womöglich sogar die Chance, Experimente wegen der vor der Sonne geschützten Stelle auch lange vorzunehmen. „Im April/Mai 2015 könnte sich „Philae“ wieder melden“, hofft Projektleiter Stephan Ulamec vom DLR in Köln. „Etwas später ist dann möglich, dass die Batterien wieder aufgeladen sind und „Philae“ den Kometen vielleicht sogar anbohrt.“

„Rosetta“ hatte das waschmaschinengroße Labor auf einer etwa 6,4 Milliarden Kilometer langen Reise zu „Tschuri“ gebracht. Die Raumsonde ist fast drei Tonnen schwer. Der eigentliche Orbiter besteht aus einem knapp zwölf Kubikmeter großen Quader. Auf jeder Seite ist ein 14 Meter langer Flügel, um Sonnenenergie aufzufangen.

Start der „Rosetta“-Mission ins All war am 2. März 2004 mit einer Ariane-5-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana in Südamerika. Am Ende der Mission im Dezember 2015 soll die Sonde etwa 7,1 Milliarden Kilometer hinter sich haben.