Unterföhring. Im Streaming-Boom in Deutschland setzt ProSiebenSat.1 ein strategisches Signal: Joyn soll bald ganz zum Konzern gehören. Chef Rainer Beaujean sagt, wer die eigentliche Konkurrenz ist.

Im boomenden Streaming-Wettbewerb in Deutschland setzt der Medienkonzern ProSiebenSat.1 ein Signal. Der Fernsehkonzern mit Sitz in Unterföhring bei München will die Streaming-Plattform Joyn komplett übernehmen. Bislang hält er die Hälfte und will die ausstehenden 50 Prozent vom Joint-Venture-Partner Warner Bros. Discovery übernehmen, wie beide Unternehmen am Dienstag mitteilten. Der Deal steht noch unter dem Vorbehalt von behördlicher Zustimmung. Das Joint Venture wurde mit Discovery 2017 gegründet und firmiert seit 2019 unter dem Namen Joyn.

Im Streaming-Boom konkurrieren in Deutschland weltweite Anbieter wie Netflix, Amazon, Disney, Sky, Apple mit nationalen Anbietern wie RTL und eben ProSiebenSat.1. Hinzu kommen Plattformen wie Magenta von der Telekom, die mehrere Angebote bündeln. Und auch die öffentlich-rechtlichen Sender von ARD und ZDF bauen ihr Streaming-Angebot aus.

Mit der Joyn-App können Zuschauer live fernsehen - auch abseits der ProSiebenSat.1-Angebote -, sowie konzerneigene Produktionen und US-Serien streamen. Anfang des Jahres hatte ProSiebenSat.1 die sendereigenen Apps abgeschaltet und dies mit der Fokussierung auf ein einziges Angebot begründet. Im Fokus steht nicht, wie zum Beispiel bei anderen Streaming-Plattformen, der Abschluss von Abonnements. Sondern es geht um Werbeeinnahmen über die Angebote.

Beaujean: «Viel stärker in den Community-Bereich reingehen»

ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur: «Jetzt rückt Joyn wieder in den Mittelpunkt unserer Digitalstrategie.» Er ergänzte: «Wir wollen den werbefinanzierten Service weiter pushen und werden uns noch stärker auf die junge Zielgruppe fokussieren.» Zum Beispiel mit Youtuber-Content. Damit will ProSiebenSat.1 eine Art Ökosystem der Unterhaltung bei Joyn schaffen.

Beaujean führte weiter aus: «Wir werden viel stärker in den Community-Bereich reingehen.» Zur Streaming-Konkurrenz sagte der Konzern-Chef: «Unser Wettbewerb ist bei Youtube und Facebook im werbefinanzierten Bereich und nicht bei Netflix und Co.» So soll sich Joyn absetzen: «Wir gehen nicht hin und sagen: Wir machen jetzt teure Produktionen oder integrieren Print. Sondern für uns sind live, local und Deutschland der Differenzierungsfaktor.» Der Abo-Bereich Joyn Plus+ soll weiter exklusiv bleiben. Dort gibt es zum Beispiel extra für diesen Bereich produzierte Formate.

ProSiebenSat.1 bündelt über einen zentralen Zugang - 7Pass - den Zugang auf Webseiten, Online-Angebote und Apps. Der Konzern nannte die Zahl von mehr als 20 Millionen registrierten Nutzern. Das ist eine wichtige Zielgruppe auch für Joyn, die Nutzer sollen im Zusammenspiel noch zielgerichteter angesprochen werden. Für Joyn nannte der Konzern mehr als 30 Millionen App-Downloads und 4 Millionen Unique User im Monat.

Zum Kaufpreis machte ProSiebenSat.1 keine Angaben. Durch den Zukauf rechnet Finanzchef Ralf Gierig zunächst mit Belastungen. So dürfte der Zukauf von Joyn das operative Ergebnis (Ebitda) von ProSiebenSat.1 um etwa 25 Millionen Euro belasten. Der Gesamterlös des laufenden Jahres soll weiter auf knapp 4,4 Milliarden Euro mit einem Spielraum von plus/minus 75 Millionen Euro steigen nach einem Vorjahreswert von rund 4,3 Milliarden Euro.

Das bereinigte Nettoergebnis soll 2022 nun auf dem Vorjahresniveau von 362 Millionen Euro liegen. Zuvor hatte der Vorstand ein Niveau auf oder leicht über dem Vorjahreswert als Ziel im Blick. Die Dividende für das laufende Jahr soll bei 80 Cent je Aktie bleiben.