Berlin. Die Landesmedienanstalten prüfen, ob der Podcast von Merkel unter die Rubrik Rundfunk fällt. Experten sind sich in der Frage uneins.

Bisher ist es nicht mehr als ein Verdacht, aber einer, der es in sich hat: Im Berliner Regierungsviertel soll ein Piratensender sein Unwesen treiben. Er funkt nicht aus irgendeiner Dachstube, sondern aus dem Bundeskanzleramt. Betrieben wird der zweifelhafte Kanal ganz offiziell von der Bundesregierung.

Konkret geht es um den Podcast der Bundeskanzlerin und hierbei insbesondere um die Sendung „Live aus dem Kanzleramt“. Aufgeschreckt von Recherchen des Online-Portals Buzzfeed prüft nun die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK), ob es sich bei dem Angebot von Angela Merkel um Rundfunk handelt. Das bestätigt auf Anfrage der stellvertretende ZAK-Vorsitzende Thomas Fuchs, der auch Direktor der Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein ist.

Preis von 750 Euro pro Sendeminute

Buzzfeed hatte nicht nur herausgefunden, dass der Podcast im Auftrag der Kanzlerin von 2006 bis 2017 zum stolzen Preis von 750 Euro pro Sendeminute von einer Firma produziert wurde, die dem Unternehmensberater Roland Berger und dem Schwiegersohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gehören soll.

Das Portal hatte auch die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dem Angebot um Rundfunk handelt. Zwei Experten, die es dazu befragte, waren uneins. Die ehemalige ZDF-Justiziarin Caroline Volkmann hält „Live aus dem Kanzleramt“ für Rundfunk, der Staats-, Verwaltungs- und Medienrechtler Hubertus Gersdorf sieht das nicht so.

Kanzlerin könnte den Rechtsweg bestreiten

Entscheidend ist, ob sich das Angebot an einem Sendeplan orientiert und redaktionell gestaltet ist. Die Landesmedienanstalten tendierten zuletzt dazu, den Rundfunkbegriff weit auszulegen. So befand die ZAK, bei zwei Angeboten von Bild.de – „Bild Live“ und „Bild Sport Talk“ – handele es sich um Rundfunk. Gegen diese Entscheidung klagt das Medienhaus Axel Springer, dem das Portal gehört.

Auch die Kanzlerin könnte den Rechtsweg beschreiten, sollte die ZAK „Live aus dem Kanzleramt“ für Rundfunk halten. Wenn Springer vor Gericht scheitert, stünde es dem Medienhaus immer noch frei, zähneknirschend Rundfunklizenzen für seine Bild.de-Angebote zu erwerben. Merkel hätte diese Möglichkeit nicht. Rundfunk ist in Deutschland staatsfern organisiert. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung darf keinen Rundfunksender betreiben.

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Anfang des Monats sorgte der österreichische ORF mit der Meldung für Aufsehen, von seinen insgesamt 70 Facebook-Seiten nur noch 15 weiterbetreiben zu wollen. Auch werbliche Hinweise auf Facebook und andere Social-Media-Anbieter will der öffentlich-rechtliche Sender künftig unterlassen. Begründet wurde dieser Schritt mit dem „Datenmissbrauch“ und der „Intransparenz" von Facebook.

Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die die Öffentlich-Rechtlichen auffordern, ihr Engagement bei Facebook zurückzufahren. Bisher stießen solche Forderungen aber bei den Sendern auf taube Ohren. Doch zumindest beim NDR scheint bei diesem Thema ein Umdenken eingesetzt zu haben.

NDR will neue Politik des Hauses vorstellen

„Das NDR Fernsehen und die NDR Radioprogramme haben die Hinweise auf ihre Präsenzen bei Facebook deutlich reduziert oder eingestellt“, sagt eine Sendersprecherin auf Anfrage. „Eine Ausnahme machen wir für Formate, die auf Facebook eine besonders große Fangemeinde haben - wie ,extra3’.“

Anders als der ORF ist der NDR jedoch offenbar nicht bereit, Angebote auf Facebook einzustellen. Dennoch ist der Sender mit seinem neuen Kurs in Sachen Facebook Vorreiter unter den deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wie es in Senderkreisen heißt, will NDR-Intendant Lutz Marmor am Samstag in Hamburg auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen des Jahrestreffens der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche die neue Politik seines Haus gegenüber dem sozialen Netzwerk vorstellen.