Berlin. Der Datenskandal um Cambridge Analytica, der jetzt ans Licht kam, war ein kalkulierter Fehler im System Facebook.

„Das war ein großer Vertrauensbruch und es tut mir leid.“ Es ist die viel zu späte Entschuldigung eines Mannes, der merkt, dass sich diese Krise um das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook nicht einfach aussitzen lässt.

Tagelang hatte dessen Chef Mark Zuckerberg geschwiegen, während bekannt wurde, dass ein Forscher per Psychotest-App Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern gesammelt und illegal an das britisch-amerikanische Big-Data-Unternehmen Cambridge Analytica verkauft hatte, das damit dann den Wahlkampf von Donald Trump befeuerte.

Millionen Facebook-Nutzer, auch in Deutschland, sind wütend und fühlen sich betrogen. Zwar beteuert Facebook nun, selbst nichts vom Missbrauch gewusst zu haben und kündigt eilig umfangreiche Veränderungen an – doch diese Worte wirken hohl, die gezeigte Reue aufgesetzt.

Sammeln von Daten ausdrücklich erlaubt

Facebook-Chef Mark Zuckerberg.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg. © dpa | Kay Nietfeld

Denn es handelt sich bei diesem Skandal nicht, wie oft geschrieben, um ein Datenleck, um ein bedauerliches Ergebnis von Unachtsamkeit oder mangelnde Sicherheitsvorkehrungen. Nein, das war ein einkalkulierter Kollateralschaden im System Facebook, von der Chefetage billigend in Kauf genommen. So wusste Facebook schon 2015, dass Millionen Datensätze an Cambridge Analytica weitergeben wurden. Das Sammeln der Daten war dabei durch Facebook ausdrücklich erlaubt worden – nur die Weitergabe war es nicht.

Als Reaktion sperrte das Unternehmen damals den verantwortlichen App-Account und forderte Cambridge Analytica auf, die gekauften Informationen zu löschen – was diese nicht taten. Die Zig-Millionen Betroffenen erfuhren nichts vom Missbrauch ihrer Daten.

Umsatz geht vor Umsicht

Ein bedauerlicher Einzelfall? Eher Prinzip: Glaubt man den Aussagen eines ehemaligen Facebook-Mitarbeiters im britischen „Guardian“, dann gehörte derlei Missbrauch im sozialen Netzwerk zum Alltag. Umsatz vor Umsicht war hier wohl die Devise – denn Apps sind für Facebook ein gutes Geschäft: 30 Prozent der Umsätze durch In-App-Käufe fließen direkt an das Unternehmen.

Jetzt liegt alles offen, Facebook zeigt sich reumütig und kündigt längst überfällige Änderungen im Sinne der Privatsphäre seiner Nutzer an. Die Botschaft ist klar: Wir sollen Facebook weiter unser Vertrauen schenken, weiterhin Nachrichten verschicken, Videos schauen, „Gefällt mir“-Buttons klicken. Doch dafür ist es jetzt zu spät.

In der Vergangenheit haben die Nutzer darauf vertraut, dass ein großes und prominentes Unternehmen verantwortungsvoll mit seiner Machtfülle umgeht – zu Unrecht wie sich nun zeigt. Facebook hat im Zweifel den eigenen Profit über die Interessen seiner Nutzer gestellt und dabei gründlich die rechtlichen Grauzonen ausgelotet.

Überforderte Anwender

Dass die Verantwortung für den Umgang mit persönlichen Daten dabei stets dem Nutzer zugeschoben wird, ist ein Unding. Das Beherrschen von immer komplexeren Privatsphäreeinstellungen, die geforderte Zustimmung zu immer längeren Kauderwelsch-Geschäftsbedingungen, überfordern die Anwender – und der Verdacht liegt nahe, dass das Absicht ist.

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    Doch selbst wer jetzt das eigene Facebook-Profil löscht, entkommt der Datensammelei im Netz nicht, Facebook ist nur die Spitze des Eisbergs. Beim Besuch von nahezu jeder kommerziell betriebenen Webseite, wird man – völlig legal – von Datensammelprogrammen erfasst. Sich diesem, Datenkreislauf gänzlich zu entziehen ist für Internetnutzer derzeit fast unmöglich. Genauso schwer ist es nachzuvollziehen, was mit diesen Datenpaketen passiert und welcher internationale Datenhändler sie kauft und zu welchem Zweck verkauft.

    Facebook und andere Netzwerke müssen jetzt das Vertrauen der Menschen mit umfassender Transparenz zurückgewinnen. Sie müssen echter Freund ihrer Nutzer werden, statt sie mit juristischen Winkelzügen im Kleingedruckten auszutricksen. Eine weitere Chance gibt es vielleicht nicht. Denn jetzt sind alle aufgewacht, selbst die Politik. Sollten die Netzwerke diese Chance nicht ergreifen, könnte es sein, dass sie künftig mit strengeren und umständlicheren Gesetzen zu tun haben, als es eigentlich nötig gewesen wäre. Dann aber zu Recht.