Washington. Die Entscheidung der US-Behörde FCC, ein Internet der zwei Geschwindigkeiten zu ermöglichen, ruft Kritik hervor. Was bedeutet sie?

In Amerika ist der Weg für das Internet der zwei Geschwindigkeiten frei. Nach einer höchst umstrittenen Entscheidung der staatlichen Aufsichtbehörde FCC gilt der Grundsatz, dass im Netz unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger alle Daten mit gleicher Geschwindigkeit und Qualität übertragen werden müssen, nicht mehr.

Wenn nicht Gerichte in letzter Minute einschreiten, dürfen große Netzbetreiber wie AT & T, Verizon, Charter und Comcast, die über 75 Prozent aller „Auffahrtrampen“ zum Daten-Highway wachen, künftig zweispurig fahren.

Überholspur gegen Aufpreis

Sprich: eine Spur für den „normalen“ Verkehr, der angelegentlich staut. Und eine schnellere, kostenpflichtige Fahrbahn für Konzerne wie Amazon, Google oder den Streaming-Dienst Netflix, die mit ihren Inhalten weite Teile der Datenbrandbreite beanspruchen.

Mit ihrer 3:2-Entscheidung hat die FCC unter ihrem neuen Chef Ajit Pai die unter dem Stichwort „Netzneutralität“ bekannte Regelung aus dem Jahr 2015 zurückgenommen.

Die Obama-Regierung hatte damals festgezurrt, dass kein Netzanbieter legale Internet-Angebote unterdrücken, sperren oder in verschiedenen Geschwindigkeiten ins Netz einspeisen darf. Auch eine Überholspur, auf der Daten gegen Aufpreis schneller ans Ziel gelangen, war verboten.

Ende des freien Internets in den USA?

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    Mobilfunk-Anbieter haben nun freie Hand

    Die Regelung folgte dem Gedanken, dass die Datenkabel der Firmen ähnlich wie Telefonleitungen als Teile der öffentlichen Grundversorgung anzusehen sind. Und hier gilt: Telefon-Anbieter dürfen keine Anrufe bevorzugt durchstellen oder sie gar abblocken.

    Damit ist es nun, mit ausdrücklicher Zustimmung von Präsident Donald Trump, vorbei. Künftig haben Breitband- und Mobilfunk-Anbieter freie Hand bei der Entscheidung, welche Daten-Pakete sie von wem in welchem Tempo transportieren. Oder ob sie Daten nicht weiterleiten. Sie müssen es nur im Kleingedruckten ihrer Verträge offen ausweisen.

    Verbraucherschützer sind alarmiert

    Laut FCC-Chef Pai wird damit der Weg zu „mehr Innovation“ frei, hinderliche Regulierungen fielen weg. Die FCC macht sich damit mehrheitlich die Argumentation der Netzbetreiber zu eigen. Danach verursachen Google, Facebook, Amazon, Apple ein überproportional hohes Datenaufkommen, das einen teuren Ausbau der digitalen Infrastruktur (Breitbandnetze) erfordere. An diesen Mehrkosten sollen sich die Inhalte-Lieferanten künftig mit einer digitalen Maut beteiligen.

    Verbraucherschützer und kleinere Internet-Firmen sind alarmiert. Während sich Groß-Konzerne die schnellere Daten-Autobahn leisten könnten, seien kleine Start-ups, die bislang mit ihren Ideen wie die Branchen-Riesen uneingeschränkten Zugang zum Netz haben, finanziell im Nachteil. „Das Zwei-Klassen-Netz wird damit eine Innovationsbremse“, sagt der frühere FCC-Chef Tom Wheeler.

    Ausbau der Netzinfrastruktur verursacht hohe Kosten

    Die für die Demokraten in der FCC-Kommission sitzende Abgeordnete Mignon Clyburn spricht davon, dass der „Schlüssel zum Internet“ nun einer „Handvoll von Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen“ ausgehändigt worden sei.

    Für die Endkunden, die in den USA im Vergleich zu Europa schon heute deutlich höhere Gebühren für ihre Internet-Anschlüsse zahlen müssten, werde die Nutzung des „world wide web“ noch teurer und „unerfreulicher“.

    Was stellvertretend für die potenziellen Profiteure AT&T-Vize Bob Quinn dementiert. Sein Konzern werde weder als Zensor im Internet auftreten, sagte er, noch Kunden über Gebühr belasten. Tatsache sei aber, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur enorme Kosten verursache, die „fair“ umgelegt werden müssten.

    EU-Kommissar will Netzneutralität schützen

    Diverse Bundesstaaten, Verbände, Interessengruppen, Kirchen und Internet-Anbieter haben angekündigt, gegen die Kehrtwende der Aufsichtsbehörde FCC vor die Gerichte zu ziehen. Sie alle füchten, dass die ohnehin ausgeprägte Marktmacht der großen „Türsteher“ des Internets noch größer wird.

    Unterdessen glauben Experten, dass der Schwenk in den USA mittelfristig auch die Debatte in Europa beeinflussen wird. Die Deutsche Telekom verstößt etwa mit dem Produkt „StreamOn“ nach Angaben der Bundesnetzagentur bereits heute gegen das Gleichbehandlungsgebot beim Daten-Transport. EU-Kommissar Andrus Ansip sah sich darum gestern zur einer Klarstellung veranlasst: „Wir werden die Netzneutralität in Europa weiter schützen.“