Hamburg. Cahoots wollte Transparenz in den Journalismus bringen. Stattdessen stiftet sie sogar Verwirrung über Journalisten wie Ingo Zamperoni.

Es ist immer gut, wenn Journalisten größtmögliche Transparenz walten lassen. Sollten sie mit irgendeinem Objekt ihrer Berichterstattung auf die eine oder andere Weise etwas enger verbandelt sein, ist es ratsam, dies offenzulegen. An sich eine Selbstverständlichkeit, doch selbst in Zeiten, in denen Medien unter einem Vertrauensverlust leiden, ist nicht jeder Journalist sensibel genug, um sich an selbstverständliche Regeln zu halten. Auf diesem Fehlverhalten basiert das Geschäftsmodell von Cahoots. Dabei handelt es sich um eine App, die anzeigt, mit welchen Institutionen Journalisten verbandelt sind.

Offenbar beruhen viele ihrer Angaben auf der 2013 erschienenen Dissertation „Meinungsmacht“ des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger. Zudem bemüht sie sich, zusätzlich Belege aus dem Netz zusammenzutragen. Zum Start der App 2014 schrieb die „taz“, Cahoots treffe „einen Nerv“. Die App könne „einen wichtigen Schritt hin zu der längst überfälligen Debatte um Transparenz im Journalismus markieren“. Allerdings gab das Blatt auch zu bedenken, dass „nicht jede private Mitgliedschaft eines Journalisten (…) etwas mit seiner Berichterstattung zu tun“ haben müsse.

Angaben zum Springer-Chef sind fragwürdig

Drei Jahre später hat Cahoots das von der „taz“ skizzierte Problem nicht ansatzweise gelöst. Schlimmer noch: Inzwischen tauchen in der App auch Namen von Journalisten auf, von denen die Macher selbst nicht wissen, wie sie denn mit der Organisation, der sie zugerechnet werden, verbandelt sind. Besonders deutlich wird das beim deutsch-amerikanischen Verein Atlantik-Brücke, mit dem so mancher Journalist im Laufe seiner Karriere mal in Berührung gekommen ist.

So wird der Chef von Axel Springer, Mathias Döpfner, bei Cahoots als „Mitglied (,Young Leader‘)“ des Lobbyklubs geführt. Nun ist ein Absolvent von dessen Young-Leader-Programm nicht automatisch ein Mitglied. Im Falle von Döpfner kann die App eine Mitgliedschaft auch gar nicht nachweisen. Als Quelle wird ein Artikel aus dem „Manager Magazin“ angegeben, aus dem nur hervorgeht, dass der Springer-Chef als junger Mann mal an dem Programm für Nachwuchsführungskräfte der Organisation teilgenommen hat.

Auch Wikipedia übernimmt Fehler

Wenn Cahoots bei einem Journalisten nicht weiterweiß, wird sein Name nicht etwa gestrichen. Stattdessen steht dann in der App „Art der Verbindung unbekannt“ – wie in den Cahoots-Einträgen des „Tagesthemen“-Moderators Ingo Zamperoni, des Leiters des Hauptstadtbüros der „Zeit“, Marc Brost, und der NDR-Redakteurin Anna Marohn in Bezug auf die Atlantik-Brücke. Sie alle haben mal an deren Young-Leaders-Programm teilgenommen.

Aber keiner von ihnen ist Mitglied der Organisation. Zwar wird das von Cahoots auch nicht behauptet, aber allein, dass ihnen eine gewisse Nähe zu dem Lobbyklub unterstellt wird, reicht zumindest im Fall von Zamperoni aus, dass mehrere Medien immer mal wieder schreiben, er sei dessen Mitglied. So steht es fälschlicherweise auch bei Wikipedia. Die angebliche Nähe des „Tagesthemen“-Moderators zur Atlantik-Brücke wird von Cahoots durch einen Link zu einem Jahresbericht des Vereins „belegt“, in dem sich ein Foto von Zamperoni findet.

Idee wird zu vertaner Chance

Noch absurder ist der Fall Brost. Hier verlinkt die App auf eine Wikipedia-Liste mit den Namen angeblicher Mitglieder der Atlantik-Brücke. Nur der des „Zeit“-Redakteurs findet sich dort nicht. Weil er inzwischen entfernt wurde, da irgendjemand bei dem Online-Lexikon weiß, dass Brost, seitdem er das Young-Leader-Programm absolviert hat, nichts mehr mit dem Club zu tun hat? Dennoch wird er in verschwörungstheoretischen Foren unter Verweis auf seine vermeintliche Mitgliedschaft bei der Atlantik-Brücke als US-Interessenvertreter denunziert.

Cahoots hätte tatsächlich für mehr Transparenz im Journalismus sorgen können. So aber leistet die App gezielter Desinformation Vorschub. Eine vertane Chance.