Menlo Park . Eine Facebook-Panne um falsche Todesfälle sorgte für Aufsehen. Doch wie sollten Nutzer im Ernstfall mit dem digitalen Nachlass umgehen?

Facebook hat durch eine Panne Gründer Mark Zuckerberg (32) und viele andere Nutzer kurzzeitig für tot erklärt. In ihre Profile beim weltgrößten Online-Netzwerk wurde am späten Freitag die für solche Fälle vorgesehene Gedenk-Nachricht an Freunde eingeblendet.

„Das war ein schrecklicher Fehler, den wir nun behoben haben“, erklärte Facebook unter anderem dem Technologieblog „The Verge“ und entschuldigte sich. Man habe sich beeilt, das Problem so schnell wie möglich zu korrigieren.

Meist müssen diverse Profile verwaltet werden

Viele Nutzer nahmen die Facebook-Panne zum Anlass für Scherze und ironische Trauerbekundungen. Doch wirft der Vorfall auch sehr ernsthafte Fragen auf: Wie gehen Angehörige nach einem Todesfall in der Familie am besten mit den digitalen Profilen um?

Damit konfrontiert sah sich zum Beispiel Juliane Berger (Name geändert) aus Hannover. Nach der Beerdigung ihres Bruders fühlte sie sich wie ein Hacker, sagt sie. Ihr Bruder, 33 Jahre alt und Vater von zwei Kindern, kam im Februar 2015 bei einem Autounfall ums Leben. Sein Tod traf alle unvorbereitet. Schnell war klar: Juliane würde den digitalen Nachlass verwalten. Digitaler Nachlass, das bedeutet: Facebook-Profil, Abonnement beim Online-Dating oder offene Versteigerungen bei Ebay. Alles eben, was ein Mensch auf seinem Computer oder im Internet hinterlässt, wenn er stirbt.

IT-Unternehmen bieten Dienste an

Mehrere Wochen saß Juliane vor dem Rechner ihres Bruders, probierte Passwörter aus, nahm Kontakt zu Facebook und Co. auf. „Ich habe das gemacht, weil es niemand anderes aus der Familie konnte“, sagt die 32-Jährige.

Facebook erklärte Mark Zuckerberg und viele andere Nutzer am Wochenende fälschlicherweise für tot.
Facebook erklärte Mark Zuckerberg und viele andere Nutzer am Wochenende fälschlicherweise für tot. © dpa | Peter Dasilva

Inzwischen bieten auch Firmen ihre Dienste für Angehörige wie Berger an. Das Berliner IT-Unternehmen „Columba“ etwa, das automatisiert Datenbanken abgleicht und nach Nutzerkonten im Internet sucht. Eine Pionierin auf dem Gebiet „digitaler Nachlass“ ist die Theologin Birgit Janetzky, die in der Nähe von Freiburg das Unternehmen „Semno“ (altgriechisch: würdevoll) betreibt. Als eine der ersten knackte sie Passwörter und löschte die Geisterprofile von Verstorbenen aus dem Netz.

Expertin rät zur „digitalen Vorsorge“

Oftmals eine emotionale Aufgabe, erinnert sich die 53-Jährige. So sei einmal eine Mutter zu ihr gekommen, deren Tochter Suizid begangen hatte. „Plötzlich kam ich im Internet mit den Träumen eines jungen Mädchens in Berührung, das Model werden wollte.“ Und mit einer Mutter, die online so gerne etwas gefunden hätte, um den Suizid ihrer Tochter zu verstehen.

Seit gut zwei Jahren sucht Janetzky nicht mehr selbst, sondern gibt ihre Erfahrungen von „der Schnittstelle von Mensch, Tod und Internet“ an Firmen weiter, die sich auf das Berufsfeld spezialisiert haben. Ob Angehörige den digitalen Nachlass selbst verwalten oder eine Firma beauftragen, hänge vor allem davon ab, ob derjenige vorgesorgt habe, sagt die Beraterin.

Sie rät dringend dazu, früh genug an digitale Vorsorge zu denken und etwa eine Passwortliste anzulegen oder einen Nachlassverwalter zu bestimmen. „Ansonsten ist das ein enormer Aufwand.“

Fotos aus dem Netz entfernen

Und nicht jeder möchte, dass nach seinem Tod jemand Drittes oder Firmen den kompletten Computer mit persönlichen Daten analysieren. Die Verbraucherzentralen warnen davor, einem Unternehmen Passworte anzuvertrauen und empfehlen, rechtzeitig eine Person des Vertrauens zum digitalen Nachlassverwalter zu machen.

Juliane Berger hätte den technischen Aufwand gerne abgegeben. Doch Anfang 2015 habe sie schlichtweg keinen Dienstleister gefunden, sagt sie. Also musste sie selbst ran: Als erstes stellte sie alle Abos ihres Bruders ab, die sonst weiter Geld gekostet hätten. „Außerdem sollten die Fotos aus dem Netz entfernt werden, weil er die nicht selbst als Überbleibsel ausgesucht hat.“

Als besonders aufwühlend empfand sie die Rekonstruktion des Browserverlaufs: „Ich konnte mir genau ansehen, was er die vergangenen Wochen gemacht hat, von der Suche nach Bratenrezepten bis Weihnachtsgeschenken.“ Es sei aber auch schön gewesen, zu sehen, dass ihr Bruder ein zufriedenes Leben geführt habe.

Erste deutschsprachige Fachkonferenz im November

Mittlerweile ergibt die Google-Suche nach seinem Namen kaum noch Treffer. Ungeklärt ist bis heute der Umgang mit dem Facebook-Profil. Juliane Berger würde es gern in eine Gedenkseite umwandeln, auf der sich nichts mehr verändern lässt. Doch die Freundin des Verstorbenen möchte das Profil aktiv belassen. Das Problem in solchen Fällen: Es kann vorkommen, dass Facebook weiterhin an den Geburtstag des Verstorbenen erinnert oder ihn anderen Nutzern als neuen Freund vorschlägt. Berger hat festgestellt: „Ein Stück Kontrolle gibst du ab.“

Würde Berger heute noch mal nach Unterstützung im Netz suchen, hätte sie es leichter. Seit gut einem Jahr gibt es den Blog „digital-danach“, den die Münchnerin Sandra Landes zusammen mit einem Kollegen betreibt. Sie informieren zum Thema „Digitaler Nachlass“, listen Dienstleister auf und veranstalten am 24. November in Hamburg die erste deutschsprachige Fachkonferenz. „Viele Branchen befassen sich bereits mit dem Thema, darunter Bestattungsunternehmen, Versicherungen oder Juristen, aber sie wissen nichts voneinander.“

Die Bloggerin sieht einen klaren Trend: Die Medien berichteten mehr über digitalen Nachlass, neue Start-Ups hätten sich gegründet. Es gebe aber noch viel zu tun. Die Gesellschaft befinde sich derzeit in einer Phase des Entdeckens und der Skepsis. „Wir sollten langsam einen Schritt weitergehen: Ausloten, diskutieren und nach Lösungen suchen.“ (epd/dpa/les)