Diese zwei „Pokémon Go“-Spieler behaupten, der Beste zu sein
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Von Aaron Clamann
Berlin. Eine Suche nach dem besten deutschen „Pokémon Go“-Spieler zeigt: Aus Spiel ist Wettkampf geworden. Selbst Sieger kritisieren das.
Die Spiele-App „Pokémon Go“ wurde weltweit über 75 Millionen Mal heruntergeladen. In Deutschland dürfte es gut zehn Millionen Spieler geben, auch wenn es keine verlässliche Statistik gibt. Während die Spieler an der Basis im Sinne des Breitensports hauptsächlich Spaß und Unterhaltung erwarten, streben einige wenige an der Spitze nach (sportlichen) Höchstleistungen. In Deutschland sind das Adem B. aus Bamberg und der anonyme Spieler „Hannover MM“ aus der niedersächsischen Landeshauptstadt.
Während der eine alle deutschlandweit verfügbaren gesammelt hat, hat sich der andere die Monster auf zweifelhafte Weise besorgt und wird dafür in Videos gefeiert.
Das steckt hinter Nintendos „Pokémon Go“
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Erinnerungen an die großen Duelle der Weltgeschichte
Die Geschichte der beiden Spieler erinnert an berühmte Wettrennen der Weltgeschichte. So etwa an die Reise zum Südpol, die der Norweger Roald Amundsen und der Brite Robert Falcon Scott vor gut 100 Jahren unabhängig voneinander machten. Noch deutlicher sind die Parallelen zum jahrelangen Wettkampf zwischen den Rennradprofis Lance Armstrong und Jan Ullrich. Beide hatten so viel Zeit in ihre Leistungen investiert, dass am Ende nur Nuancen oder Fehler des anderen über Sieg oder Niederlage entschieden.
Im Falle der beiden Pokémon-Meister aus Deutschland hat jedoch einer wesentlich mehr investiert: „Hannover MM“. Er hat auf dem klassischen Wege alle 142 Monster gefangen, die in Europa verfügbar sind. Er ist selbst durch Hannover und Hamburg gelaufen und hat sich auf die Lauer gelegt, um auch seltene Pokémon zu bekommen. Die Monster erscheinen erst auf dem Bildschirm, wenn der Spieler sich an bestimmte reale Orte begibt. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er: „Die 18 Stunden tägliche Spielzeit waren nur möglich, weil ich in dieser Zeit Urlaub hatte.“ Am 26. Juli hatte er dann alle in Europa verfügbaren Monster gefangen.
Der ehrliche Meister bleibt anonym
„Hannover MM“ will bewusst anonym bleiben, ein Beweisvideo, das die Liste mit den Pokémon auf seinem Handy zeigt, hatte er nur für Freunde auf einem YouTube-Kanal hochgeladen, der keine Kontaktdaten bietet. Anfragen an ihn verwaltet eine gute Freundin.
„Ich habe das hauptsächlich für mich gemacht. Ich bin großer Pokémon-Fan und habe ab 1999 schon so gut wie alle Editionen gespielt.“ Jetzt ist er Mitte 30 und der „Retro-Flash“ habe ihn gepackt. „Hannover MM“ verschweigt bewusst seinen beruflichen Hintergrund: „Es muss ja nicht sein, dass der Chef nachher doch noch etwas davon erfährt. Und ich will auch nicht, dass Beobachter nachher über einen Berufsstand herziehen und sagen: ‚Die Arbeiter bei XY haben ja offensichtlich Zeit genug, Pokémon zu spielen.‘“
Adem B. aus Bamberg hingegen gibt selbstbewusst ein Video-Interview, in dem er als der „allerbeste“ Spieler angekündigt wird. Fast gleichzeitig mit „Hannover MM“ hat er ein Video hochgeladen, in dem er insgesamt 145 Pokémon präsentiert – und damit sogar die Monster, die in Europa gar nicht verfügbar sind. Sein Profil in sozialen Netzwerken findet man schnell, auf der Internetrecherche nach dem Spieler mit den meisten Pokémon entkommt man seiner Geschichte nicht. Nur der Nachname bleibt vorerst geheim.
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Radsport-Fans fühlen sich an Lance Armstrong erinnert, der sich bis ins letzte Detail selbst vermarktete. Vor laufender Kamera erzählt Adem B., wie er an drei exklusive Monster kam. Er habe Bekannten aus den USA, Australien und Asien seine Zugangsdaten gegeben. Die Bekannten hätten dann für ihn Monster gefangen, die in Europa nicht verfügbar sind. Die Spielregeln verbieten diese Praxis, und dem Spieler droht bei Verletzung der Regel sogar die Löschung des Profils.
Sein Konkurrent „Hannover MM“ erkennt die Leistung zwar an: „Er hat auch viel Zeit investiert. Ich möchte ihn auf keinen Fall schlecht reden.“ Doch, dass Adem B. seine Monster teilweise illegal erhalten hat, kommt in Hannover wohl nicht allzu gut an. Ob Adem B. alle anderen Pokémon selbst gefangen hat bleibt offen. Belegt ist hingegen seine Laufleistung von über 200 Kilometern.
Maschpark statt Champs-Élysées
Jan Ullrich und Lance Armstrong fuhren ihre Kilometer durch die Gluthitze der Pyrenäen, über verschneite Alpenpässe und entlang der Avenue des Champs-Élysées in Paris. „Hannover MM“ lief dagegen durch den Maschpark und andere Grünanlagen in Hannover.
Pokémon-Hype: Die Welt auf Monsterjagd
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Gerne erinnert er sich an eine abendliche Tour durch einen Park. „Ich bin fast schon hypnotisch durch den Park gegangen und es wurde immer dunkler. Gegen 1 Uhr nachts kam mir dann eine Gruppe von dunklen Gestalten entgegen“, berichtet der Hannoveraner. Gedanken an einen Überfall, an ein geklautes Handy und Portemonnaie seien in ihm hochgekommen. „Aber dann hat mich einer aus der Gruppe nach mehreren Pokémon gefragt und wir haben uns noch länger unterhalten“, so der Spieler. An dem Spiel schätzt der Hannoveranern den Kontakt mit anderen: „Das Spiel ist einfach ein tolles Kommunikationstool“. Ein Satz der von Jan Ullrich stammen könnte. „Man kommt weit rum, man sieht viel, man lernt nette Leute kennen, hat Spaß und hält sich gesund“, sagte er im Juni in einem Interview mit dem „Kölner Stadtanzeiger“.
Szene hofft auf eine neue Ära
Der Kampf Ullrich gegen Armstrong hinterließ in der Radsportszene verbrannte Erde. Spekulationen um Betrügereien und die Ehrlichkeit im Sport hatten das Interesse am Sport in einer Geschwindigkeit abstürzen lassen, wie man es sonst nur bei der Abfahrt nach einer Bergetappe erlebt. Und so verlangte die Szene nach einer neuen, sauberen Generation.
Auch in der Pokémon-Szene sehnen einige eine neue Ära herbei. Unter ihnen ist auch „Hannover MM“ selbst. „Die Stimmung ändert sich: vom Zusammenhalt der ersten Tage hin zu Angeberei und teils ekligen Kommentaren in sozialen Netzwerken“, sagt er. Und so wartet der Spieler auf ein Update.