Saarbrücken. Ein Deutscher ist eines der ersten Mitglieder des Gremiums, das gerade neue Emojis beschlossen hat. Es geht um mehr als bunte Bildchen.

Der eine Nutzer freut sich und verschickt einen nach oben gereckten Daumen, bei dem anderen wird ein Daumen nach unten angezeigt und sorgt für Verstimmung: Bei dem Beispiel des Emojis zeigt sich anschaulich, wie wichtig die Arbeit des Unicode-Gremiums ist. Seit 1991 legt es Einheitsschlüssel für Zeichen fest: Auf allen Geräten in allen Kulturkreisen wird ein Zeichen in einem universellen Code gleich übersetzt. Der Deutsche Wolfgang Keber (57) gehört dem Gremium fast seit der ersten Stunde an – seit einer Zeit, als an Emojis noch keiner dachte. Ein Gespräch über das Unicode-Konsortium, Vorteile der Mitgliedschaft, die wahre Bedeutung der Emojis und über Sponsoren für das Kot-Häufchen.

Warum wird man Mitglied des Unicode-Konsortiums?

Wolfgang Keber: Es war in den 1980er nicht möglich, einen Text in Deutsch, Französisch und Griechisch in einem Dokument zu codieren. So wie man heute global miteinander kommunizieren kann, das war noch in weiter Ferne, weil es keine einheitliche Festlegung gab. In dem Unternehmen Dialogika, in dem ich tätig war, spielt die Codierung der Zeichen eine große Rolle, es geht um Dokumentenprozesse, Konvertierung und Texterkennung, und ohne einheitliche Codierung steht man vor großen Problemen. Lösungen dafür wurden dringend gesucht. 1991 haben wir dann bei Microsoft den Rat bekommen, uns Unicode anzuschauen. Das Konsortium war kurz zuvor gegründet worden. Die Herangehensweise dort war das, was uns sehr entgegenkam. Ich bin dann 1992 oder 1993 persönliches Mitglied geworden, weil das günstiger war als eine Firmenmitgliedschaft.

Haben Sie mal überlegt, wie viele Sprachen und Zeichen seither codiert worden sind?

Keber: Gerade sind mit der aktuellen Version 9.0 72 Emojis hinzugekommen und insgesamt 7500 neue Zeichen. In den verschiedenen Unicode Versionen waren es mal mehr, mal weniger; „Spitzenreiter“ unter den Versionen war 3.1 mit mehr als 40.000 neuen Zeichen. Inzwischen sind es 135 Schriften, davon 51 historische, und 128.237 Zeichen.

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Und als Mitglied fliegt man zu den Treffen und diskutiert mit?

Keber: Der Aufwand, an die Westküste der USA zu reisen, ist ja doch kein kleiner. Ich war bei einigen Treffen dabei, zuletzt 2005 in Berlin. Da habe ich auch einen Vortrag gehalten „From the Keyboard to the Screen and In-Between.“ Es ging darin um den Weg eines Zeichens von der Eingabe auf der Tastatur über diverse Treiber bis zur Ausgabe auf dem Schirm. Über die Diskussionen per nichtöffentlicher Unicode-Mails ist man aber auch so sehr nah dran an den Themen und Debatten.

Und, hat Apple das Gewehr-Emoji verhindert, wie es heißt?

Keber: Das habe ich nicht wirklich verfolgt, das ist mir erst in der Presse begegnet.

... wo früher wenig über Unicode zu lesen war.

Keber: Unicode hat lange im Hintergrund gearbeitet, das Konsortium kannten nur Experten. Jetzt wird öffentlich diskutiert, ob es ein Gewehr geben soll, und dass alle Hautfarben vertreten sind und dass es Koch und Köchin geben soll. Das findet sich heute im Boulevard.

Ist das gut für die Arbeit des Konsortiums?

Keber: Es lenkt auch die Aufmerksamkeit auf Spendenkampagnen, die die Codierung seltener oder alter Sprachen finanzieren sollen. Seit Dezember gibt es die Möglichkeit, Pate eines Zeichens zu werden. Wenn mit dem Geld etwas Gutes passiert, dann ist es doch gut, wenn es sich jemand 5000 Dollar kosten lässt, Pate des Kothäufchens zu sein. Die ersten Gelder aus dem „Adopt a character“-Programm werden eingesetzt, um die Codierung einer Maya-Sprache zu fördern. Ansonsten hilft die Aufmerksamkeit nicht, schadet aber auch nicht. Mehr Aufmerksamkeit hätte in den Anfangsjahren geholfen... Vor 20 Jahren war Unicode etwas Exotisches, da musste man den Leuten noch mühsam erklären, dass es Vorteile bringt, sich damit zu beschäftigen. Heute ist es eher so, dass Entwickler sich schon wieder nicht mehr mit Unicode befassen, weil es in allen Systemen steckt und sie wissen, dass es funktioniert. Es hat lange Zeit gedauert, bis es so weit war.

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Und hat Ihnen Ihre Mitgliedschaft dabei wirklich spürbare Vorteile gebracht?

Keber: Man kommt frühzeitig an Informationen heran, der Vorsprung war damals noch größer als heute. Ein anschauliches Beispiel: Wir haben bei der Einführung des Euros die EU-Kommission bei der Umsetzung des €-Zeichens auf Rechnern beraten und Software entwickelt. Das hört sich trivial an, aber es gab lange Diskussionen innerhalb des Konsortiums. Es ging u.a. da um die Frage, welchen Code-Point es bekommt: einen eigenen neuen oder sollte es das ECU-Zeichen ersetzen. Außerdem war zu klären, wo auf den Tastaturen es hinkommt, Treiber dafür mussten programmiert und Fonts, also Schriften, bereitgestellt werden. Da war es für uns sehr gut, frühzeitig zu wissen, wohin es sich entwickelt.

Und dann kamen irgendwann die Emojis.

Keber: Das war ein langer Prozess. Angestoßen wurde das aus Asien, wo bei verschiedenen Mobilfunkbetreibern ganz andere Symbole ankamen als der Absender eingegeben hatte. Das Konsortium hat das aber zunächst liegen gelassen, man wollte schauen, ob das Thema vorüber geht.

Sehr technisch geprägte Menschen treffen auf bunte Bildchen mit Gesichtern..?

Keber: Nein, es gab keinen Dünkel, das Konsortium war auch schon immer offen. Es wurde auch lange der 1997 gestellte (und allerdings 2001 abgelehnte) Antrag diskutiert, Klingonisch aufzunehmen. Es ging bei der Entscheidung mehr darum, ob es sich lohnt, oder ob das Phänomen vorbeigeht und man Müll produziert.

Es ging nicht vorbei.

Keber: 2006 war klar, dass es mehr ist als eine Blase. Und wir bekamen einen Paradigmenwechsel. Es ging stets darum, aktuelle bestehende oder alte Schriftzeichen und Symbole zu codieren. Nun geht es um eine wachsende Menge neuer Zeichen, die codiert werden, wenn es gute Gründe dafür gibt. Da geht es auch nicht nur um Technik, da geht es auch um politische, soziale Fragen. Das ist ein Minenfeld, da musste das Konsortium auch Erfahrungen sammeln und muss es noch.

Die Aufmerksamkeit für die Emojis, die nur einen Bruchteil der Zeichen ausmachen, gefällt aber nicht allen.

Keber: Sie spielen auf Michael Everson an.

Der von der „New York Times“ mal „vielleicht der weltweit führende Experte im Computercodieren von Sprachen“ genannte Ire hat sich beklagt, dass sich alles nur noch um Emojis dreht.

Keber: Er hat sich geärgert, dass massenhaft neue Emojis durchgewunken wurden, während sich niemand für keltische Schriftzeichen zu interessieren schien, die er für seine Arbeit benötigt. Es gibt auch diese Strömung, die Sorge hat, dass Unicode sich zu sehr den populären Aspekten widmet. Es gibt aber eigentlich niemanden, der an der Notwendigkeit von Emoji-Codierung zweifelt.

Die Fülle an codierten Zeichen – und was darunter die Emojis ausmachen.
Die Fülle an codierten Zeichen – und was darunter die Emojis ausmachen. © FMG | FMG

Wie geht es denn weiter? Es gibt ja mit Schlitten, Kloß & Co. schon die ersten Emoji-Vorschläge für Unicode 10.0?

Keber: Ich bin gespannt, wie sich das Konsortium verhält. Es gibt schon so viele Emojis, dass sich die Frage stellt, ob man absehbar sagt, es reicht, oder ob man die Türen weit aufmacht.

Welche Rolle spielen denn die Vollmitglieder? Diktieren Google, Apple und Co., was gemacht wird?

Keber: Man erlebt die Mitglieder nicht als Apple- oder Google-Repräsentanten. Mark Davis (Mitgründer und Präsident von Unicode) tritt als Individuum auf, nicht als Google-Vertreter. Das Miteinander ist sehr freundschaftlich. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Vollmitglieder nur zum eigenen Nutzen entscheiden.

Und Unicode ist offen für alle. Wie ungewöhnlich oder typisch für Unicode ist die Geschichte des Döner-Emojis?

Keber: Es zeigt die Offenheit des Konsortiums und auch die Ernsthaftigkeit, mit der es solche im Scherz vorgeschlagene Erweiterungen behandelt. Die Redaktion des Magazins Puls des bayerischen Rundfunks lässt Nutzer auf Facebook diskutieren, welches Emoji noch fehlt und schlägt den Döner vor.

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Ich will nicht Schuld sein, wenn eines der langjährigsten Mitglieder vielleicht aussteigt. Aber ist die Mitgliedschaft auch etwas, was Sie für ihre berufliche Tätigkeit noch benötigen? Warum sind sie noch Mitglied?

Keber: Es ist sicher ein Stück weit Gewohnheit. Und es ist ganz nett, dass man weiter frühzeitig mitbekommt, was passiert – und sei es bei Emojis. Die Sprachen, um die es uns geht, sind alle codiert. Aber bei der Messenger-Entwicklung könnten wir auch bei iFlow, meinem neuen Unternehmen, profitieren.

Nutzen Sie denn auch selbst Emojis – und welches am häufigsten?

Keber: Ich bin da etwas altmodisch und beschränke mich meist auf ein paar Smileys, lachend oder weinend. Das reicht mir. ;-)