Berlin. „Peeple“ macht’s möglich: Das Date oder der Kollege werden nun öffentlich beurteilt. In den USA gibt es die App jetzt – trotz Kritik.

Der Nachbar sieht nicht vertrauenswürdig aus? Der Kollege trägt keine modische Kleidung? Das Date hat nicht zurückgerufen? Das Verhalten, Aussehen oder die Interessen von Menschen können nun bewertet werden – öffentlich in einer App, die der Chef, die Mutter oder der Schulfreund einsehen können. Was sich wie eine Horrorversion anhört, ist in den USA Wirklichkeit. Dort ist am Montag die umstrittene App „Peeple“ an den Start gegangen – zunächst nur auf Apple-Geräten und in entschärfter Version. „Der Charakter als Währung“ ist das Motto der App: Menschen werden zu Nummern und in ein Bewertungssystem gequetscht – ob sie wollen oder nicht.

Bei „Peeple müssen sich die Nutzer mit ihrer Telefonnummer und ihrem Facebook-Account registrieren. Die Nutzer können dann ihren Schulfreund oder den Arbeitskollegen in drei Kategorien „beruflich, persönlich und romantisch“ einordnen. So könnten Menschen besser einschätzen, „welche Person man einstellt, zum Date einlädt oder als Nachbarn, Vermieter oder Mitbewohner haben möchte“, so die Gründerinnen. Positive „Empfehlungen“ – wie die Macher die Bewertungen nennen – erscheinen sofort auf der Profilseite. Negative Einträge werden an die betroffene Person geschickt, die 48 Stunden Zeit hat, Einspruch gegen eine Veröffentlichung einzulegen.

Bald soll die „Wahrheits-Lizenz“ kommen

Aber auch Personen, die nicht bei „Peeple“ sind, können bewertet werden. Sie sollen dann eine Einladung zum Mitmachen erhalten, damit sie den Eintrag zur Freischaltung prüfen können. Die Macher betonen, dass die Einträge nur mit Zustimmung der betroffenen Nutzer freigeschaltet würden. Trotzdem bleiben die Einträge auf dem Server des Unternehmens gespeichert.

Und „Peeple“ hat einen neuen Weg gefunden, wie unliebsame Bewertungen nicht mehr versteckt werden können. Im April soll die kostenpflichtige Funktion „Truth License“ („Wahrheits-Lizenz“) auf den Markt kommen. Die „alles zeigt, das jemals über eine Person geschrieben wurde, egal ob es auf deren Profil veröffentlicht wurde, oder nicht“, heißt es in einer Pressemitteilung. Pro Monat soll sie einen US-Dollar kosten.

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„Peeple“ kann zu Cybermobbing animieren

„Peeple“ wurde seit der Veröffentlichung des Konzeptes im Oktober 2015 stark kritisiert. Damals waren die Pläne noch umfangreicher. So sollt es ein Fünf-Stufen-Ranking geben. Die Pläne der kanadischen Gründerinnen Julia Cordray und Nicole McCullough sorgten für einen Aufschrei. Das „Yelp für Menschen“, wie die App von Kritikern genannt wird, würde zu Cybermobbing ermutigen. Die US-Zeitung „Washington Post“ nannte die App besorgniserregend.

Tatsächlich scheint das Unternehmen keinen genauen Plan zu haben, wie Mobbing verhindert werden soll. Zwar verbieten die „Peeple“-Klauseln unter anderem Mobbing, Sexismus oder erniedrigende Kommentare, allerdings sind diese Vertragsklauseln mehrere Seiten lang und nicht einfach zu lesen. Auch wenn potenzielle Nutzer mindestens 21 Jahre alt sein und bereits sechs Monate lang ein Facebook-Konto betreiben müssen, hindert das nicht daran, den nervigen Nachbarn nach einem Streit am Gartenzaun mies zu bewerten. In Deutschland ist „Peeple“ bisher nicht verfügbar. Aufgrund der Gesetzeslage erscheint eine Veröffentlichung auch unwahrscheinlich.

Experten äußern Bedenken

Doch Julia Cordray und Nicole McCullough sehen diese Befürchtung vieler Menschen nicht. Für sie ist „Peeple“ eine „positive App für positive Menschen“. Im Interview mit „Buzzfeed“ sagte Cordrey, sie hätten genügend Sicherheitsvorkehrungen in die App eingebaut. In den sozialen Netzwerken wurden die Frauen dafür verspottet: Man müsse sich nicht wundern, dass zwei weiße, nach konventionellen Maßstäben attraktive Frauen aus guten Verhältnissen, das Missbrauchspotenzial der App verkennen.

Auch Experten äußerten Bedenken: „Einige Probleme wurden gelöst, aber ganz signifikante sind geblieben“, sagte der Anwalt und Universitätsdozent Paul Dernal dem britischen Sender BBC. Dass man sein Profil löschen könne, sei eine Illusion, da einmal veröffentlichte Informationen nicht mehr als dem Netz zu bekommen seien. Und die geplante „Truth License“-Funktion untergrabe alle Sicherheitsvorkehrungen der Peeple-Entwickler, sagte Dernal. „Wenn Menschen böse Dinge über dich sagen, kommen diese auch heraus.“ (mit dpa)