Hamburg. Der Genussexperte Gerd Rindchen präsentiert das Rezept für die aromatische Tomatensorte.

Die beeindruckendste und unvergesslichste Vorspeise meines Lebens durfte ich vor vielen Jahren im leider längst verblichenen Restaurant Küchenwerkstatt in Winterhude genießen. Sie war veganer Natur, trug den schlichten Namen „Variationen von der Vierländer Platte“ – und bescherte mir eine meiner ganz großen kulinarischen Lieben.

Die Vierländer Platte ist eine Tomatensorte

Die Vierländer Platte ist eine unfassbar aromatische Tomatensorte, die im Spätsommer (also: jetzt) direkt vor Ihrer Haustür in den Vier- und Marschlanden gedeiht. Diese alte Sorte wurde dort ursprünglich Anfang des 19. Jahrhunderts angepflanzt und weitervermehrt. Sie ist wahrscheinlich ein Nachkomme einer italienischen Fleischtomate. Durch jahrzehntelangen Anbau und regionale Samenvermehrung hat sich die vom Mittelmeer stammende Sorte in den Hamburger Vierlanden angepasst.

Mit der Entwicklung moderner Massenertragstomaten aus Hybridzüchtung geriet die sensationell schmeckende alte Vierländer Platte in Vergessenheit, da sie keine hohen Erträge bringt und schwierig anzubauen ist.

Gerd Rindchen, Genussexperte und ehemaliger Betreiber von Rindchen's Weinkontor.
Gerd Rindchen, Genussexperte und ehemaliger Betreiber von Rindchen's Weinkontor. © Thorsten Ahlf

Gerettet hat sie Hamburgs famoser, in diesem Juli viel zu früh verstorbener Kult-Biogärtner Thomas Sannmann. Er erhielt 1985 noch einige alte Samen dieser Sorte von einem betagten Vierländer Gemüsebauern geschenkt, hat sie seitdem in kleinen Mengen angepflanzt und jedes Jahr aus den besten Früchten Samen zur Vermehrung entnommen. Heute erhält man sie während der Saison in gut sortierten Gemüseläden.

Sinnliche Geschmackserlebnisse mit komplexer Aromatik

Zum Glück: Denn kundig zubereitet, wird Ihnen die Vierländer Platte bislang ungeahnte sinnliche Geschmackserlebnisse mit überwältigender, komplexer Aromatik bescheren. In der Küchenwerkstatt gab es unter anderem ein sogenanntes Carpaccio von der Vierländer Platte – also sehr dünne Tomatenscheiben mit Leinöl, etwas Meersalz, ein paar fein gehackten frischen Kräutern (Thymian, Petersilie) und Sprossen. Fix gemacht und lecker. Ganz grandios ist Confit von der Vierländer Platte. Es lohnt sich echt, größere Mengen davon zu produzieren, weil es so vielseitig einsetzbar ist.

Hier das Rezept für ein Kilo Tomaten:

Die Tomaten schneiden Sie in kleine Stücke und entfernen dabei den grünen Strunk in der Mitte. Die Stücke kommen in eine Auflaufform oder, bei größeren Mengen, gleich aufs Backblech. Dazu geben Sie drei bis vier kleine, fein gehackte Zwiebeln, acht fein gehackte Knoblauchzehen und anderthalb Teelöffel frisch gerebbelten Thymian. Sie können gern auch noch etwas fein gehackten Salbei und Rosmarin dazutun – was das Kräuterbeet so hergibt.

Das Ganze vermengen Sie mit etwas Meersalzflocken, je nach gewünschter Schärfe etwas mehr oder weniger Piment d’Espelette und drei Teelöffeln gutem, kaltgepresstem Olivenöl und reduzieren das Ganze im auf 220° Umluft vorgeheizten Ofen auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Volumens. So nach 40 bis 45 Minuten können Sie mal schauen, ob das Ganze schon Ihren Vorstellungen entspricht oder, wenn Sie mögen, noch ein bisschen mehr einreduzieren und dann final abschmecken.

In der Küchenwerkstatt gab’s das Confit dann auf aufwendig hauchdünn geschnittenem und dann im Ofen leicht angeröstetem Roggenbrot – Sie erzielen aber in etwa den gleichen Effekt, wenn Sie eine Packung Finn Crisp erwerben und das Confit draufstreichen (so mache ich das).

Zudem ist das Confit eine granatenmäßige Beilage zu gegrilltem weißem Fisch à la Dorade oder Loup de Mer, zu Entrecôte und Ribeye-Steak. Und in der etwas weniger konzentrierten, also kürzer einreduzierten Variante ergibt es eine tolle Pastasoße. Etwaige Reste munden auch kalt auf Brot.

Züchter Thomas Sannmann verdanken wir das Rezept für eine herrliche, sommerliche Vierländer Tomatensuppe: Sie schneiden 1 Kilo Vierländer Platte in Viertel und entfernen den inneren Strunk. Dann dünsten Sie ca. 50 Gramm fein gewürfelte Zwiebeln und drei fein gehackte Knoblauchzehen im Topf in einem Esslöffel Olivenöl glasig an, geben die Tomaten dazu und lassen das Ganze kurze Zeit zusammen ziehen.

Dazu geben Sie einen halben Teelöffel frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer und drei viertel Teelöffel Meersalzflocken. Jetzt alles pürieren und passieren, drei Esslöffel­ fein gehacktes Basilikum dazugeben, kurz aufkochen und final mit Pfeffer und Salz abschmecken. Guten Appetit!