Hamburg. Zum Thema stellen sich viele Fragen. Antworten gibt es auf einer Messe in der Handelskammer - und auf dieser Seite.

Gerd Rindchen (57), jüngst zum sechsten Mal in Folge mit der „Berlin Trophy“ als „bester Weinfachhändler International“ ausgezeichnet, schwelgt am Vorabend der Vinorell-Weinmesse in alten Zeiten. Und amüsiert sich, als er sich an einen seiner ersten Auftritte als Weinhändler im elitären Kreis der Weinexperten Anfang der 90er-Jahre erinnert. „Ich redete fleißig mit“, erzählt er, „bis mir ein gewisser Herr J., der damals im ,Spiegel‘ regelmäßig über Wein schrieb, über den Mund fuhr und sagte: ‚Trinken Sie erst mal einen 45er Petrus aus der Magnumflasche, bevor Sie hier mitdiskutieren wollen‘.“

Zur Erklärung: Dieser Bordeaux aus dem gleichnamigen Chateau im Pomerol-Anbaugebiet ist einer der angesehendsten und teuersten Rotweine der Welt (beispielsweise wird eine 0,75-l-Flasche der Jahrgänge 2009 oder 2010 zurzeit mit 3900 bis 4000 Euro im Internet gehandelt).

Das Problem der akkurat gekleideten Herren mit dem Einstecktuch in der Brusttasche ihres Glencheck-Sakkos war die Philosophie, die der junge Turnschuhträger aus Überzeugung vertrat: Wein soll in erster Linie schmecken. Wein soll Spaß und Freude bereiten. Und exorbitant hohe Preise garantieren noch lange nicht einen guten Wein.

Rindchens Credo kann man durchaus als „Sozialdemokratisierung“ des Weinhandels bezeichnen, und der Erfolg gibt ihm heute recht – denn aus seinem ersten, fensterlosen Laden in der City Nord, in dem sich Ende der 80er vor allem die SAT.1-Nachrichten- und Sportredakteure, die damals aus den Studios am Mexikoring sendeten, gerne schon mal mittags die Kante gaben (außer, sie hatten noch Beiträge zu vertonen), ist mit „Rindchen’s Weinkontor“ heute so etwas wie ein kleines Imperium entstanden, das er und seine Frau Christine verwalten.

Promis und ihr Wein

Stephan Rebbe

„Der 2013er Francis Ford Coppola Claret Black Label Cabernet Sauvignon ist eine sehr ordentliche Cuvee aus Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. Mit jedem Schluck laufen vier wunderbare Wochen Familienurlaub in Kalifornien im Wohnmobil vor dem inneren Auge ab bzw. runter. Da lohnt sich die regelmäßige Investition von 25 Euro. Den Wein gibt es im Netz, aber unter anderem auch in der Weinquelle, Lübecker Straße.“ Stephan Rebbe, Agenturgründer (KolleRebbe)

Stefan Krücken

„Das Beste am Wein ist das Astra danach. So dachte ich, bis ich auf einer Familienfeier den Grauen Burgunder vomWeingut ,Laible‘ entdeckte: Soviel Tradition, Hingabe, Geschmack. Großartig! Wir ordern direkt und zahlen so um die 14 Euro pro Flasche.“ Stefan Krücken, Verleger (ankerherz)

Maike Bollow

„Der 2014 Grand Cuvée vom Weingut Domaine des Féraud in der Provence ist ein dichter, voller Rotwein und passt super zu meinem abendlichen Lieblingssnack, Parmigiano Reggiano aus Kuhmilch oder altem Gouda. Wir beziehen direkt vom Gut für 14,90 Euro pro Flasche – der Chef Markus Conrad ist übrigens Hamburger!“ Maike Bollow, Schauspielerin

Dennis Gladiator

„Für eine Flasche Via al Castello Barolo DOCG aus dem Piemont geben wir bei Edeka um die 14 Euro aus. Es ist ein trockener, harmonischer und kräftiger Wein, den wir uns im Kreis der Freunde und Familie an besonderen Tagen gönnen.“ Dennis Gladiator, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter

Charlotte Lucas

„Vernaccia di San Gimignano, einen frischen Weißwein aus der Toskana, kann man zu jeder Jahreszeit trinken – am liebsten den von Terruzzi & Puthod für 7,99 Euro bei www.solvino. de“ Charlotte Lucas, Bestseller-Autorin

Hubertus Meyer-Burckhardt

„Ich bin Weintrinker, kein Weinkenner, und habe seit Jahren eine Angewohnheit: Vor dem ersten Drehtag eines Filmes trinke ich meist mit dem Regisseur einen österreichischen Grünen Veltliner, nach dem ersten Drehtag meist mit dem Kameramann einen süditalienischen Primitivo.“ Hubertus Meyer-Burckhardt, TV-Produzent & Moderator der NDR-Talkshow

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„Aber unsere Mission ist noch längst nicht abgeschlossen“, sagt Gerd Rindchen, „denn gerade für uns Fachhändler gibt’s noch reichlich Luft nach oben. Wir müssen allerdings weiterhin versuchen, die Vorurteile abzubauen, die dummerweise nicht selten berechtigt sind.“ Nur etwa zehn Prozent der deutschen Weintrinker beziehen ihren Stoff persönlich über den Fachhandel, die anderen greifen in die Regale der Discounter und Supermärkte oder ordern online. „Mit ihrer Borniertheit und dem Brimborium, das einige Fachleute nach wie vor um die ‚Wissenschaft des Weines‘ veranstalten, wird bloß die Schwellenangst von potenziellen Weinkunden gefördert. Viele Menschen wagen sich einfach nicht an Wein heran oder trauen sich nicht, Fragen zu stellen. Denn wer will schon wie ein Depp dastehen – oder als solcher behandelt werden?“

Rund drei Euro zahlen die Deutschen durchschnittlich für eine Flasche Wein. Immerhin geben sie seit drei Jahren insgesamt mehr Geld für Wein aus als für Bier. Auch das „Einstiegsalter“ der Weintrinker sinkt kontinuierlich; es liegt jetzt etwa zwischen dem 27. und 30. Lebensjahr. Dennoch stagniert hierzulande der Weinkonsum bei rund 21 Litern Wein (und rund 3,9 Litern Schaumwein) pro Kopf. Aber Wein wird inzwischen zunehmend anders wahrgenommen, denn das Qualitätsbewusstsein ist gestiegen. Dafür sind zum einen die vielen Kochsendungen im Fernsehen mitverantwortlich, zum anderen aber auch die jüngeren Generationen der (deutschen) Winzer selbst, die mit eigenen hohen Qualitätsansprüchen und bemerkenswerter Experimentierfreude nach und nach die verkrusteten Strukturen des Weinmachens aufbrechen und mittlerweile ebenfalls Weine produzieren, die mühelos den internationalen Standards entsprechen. Dazu gehört unter anderem auch ein modernes Marketing, das sich insbesondere in der Etiketten-Gestaltung niederschlägt.

Aber wie viel muss, soll oder darf ein Wein kosten, um als „gut“ – manche sagen lieber „trinkbar“ – zu gelten? Das Problem beim Weinkauf ist nun einmal ein existenzielles: Denn selbst das informativste Etikett sagt leider nichts über den wahren Inhalt der Flasche aus – den Geschmack. Es gibt schließlich zig Millionen Weinsorten, und vermutlich gibt es ebenso viele Fragen, die wir an dieser Stelle natürlich nicht vollständig beantworten können. Aber wenn Sie sich sowieso für Wein interessieren oder sich auch nur mal an ihn heranschnuppern wollen, sollten Sie an diesem Sonnabend tatsächlich die Vinorell-Weinmesse besuchen. Fragen Sie einfach, was Sie wissen wollen - man wird Ihnen bestimmt freundlich antworten.

Und ein paar Fragen können wir vielleicht auch gleich an dieser Stelle klären.


Welche Weine eignen sich am besten für den Start in
die
Weinkultur?

Weißwein: Weißburgunder und Grauburgunder Rebsorten: Pinot Blanc, Pinot Gris, auch Ruländer sind gefällige, elegante Gewächse, die sich praktisch von selbst erklären.
Rotwein: Italienische (Rebsorten Primi­tivo, auch Zinfandel) und spanische (Rebsorten: Tempranillo, Cencibel) sind zwar trocken, aber der Gaumen empfindet sie aufgrund ihrer „heimlichen Restsüße“ von bis zu 14 Gramm als geschmeidig, fruchtig und süffig. In diese Kategorie fallen auch viele Rotweine aus Australien, Argentinien, Chile und Südafrika.


Können Weine unter fünf Euro pro Flasche überhaupt schmecken?
Ja. Die Qualität der industriell hergestellten preiswerten Massenware, die man in Supermärkten und Discountern mittlerweile finden kann, ist oftmals ordentlich. Bei teureren Weinen (aus dem Supermarkt mit seinem Vollsortiment) sollte man jedoch darauf achten, keine überalterten Weine zu kaufen.


Im Fachhandel ist Wein immer
viel teurer als im Supermarkt
oder im Internet. Stimmt das?

Nein, es sei denn, es handelt sich um Markenware. Außerdem fallen keine Versandkosten oder Mindestmengen an. Der Vorteil im Fachhandel ist, dass man im besten Fall an die Hand genommen wird und häufig mehrere Weine probieren kann.


Welcher Wein passt zu welchem Essen?
Weiß- oder Roséweine zu Fisch, Rotwein zu dunklem Fleisch – diese Regel ist schon seit Längerem aufgehoben. So „knackt“ zum Beispiel ein säurehaltiger Riesling das eiweißreiche Fleisch und hilft dem Magen sogar, das Steak oder den Braten zu verarbeiten. Ansonsten gilt: Es ist Geschmackssache.

Muss man Rotwein dekantieren?

Nein, denn es handelt sich um eine Legende, dass guter und alter Rotwein „immer“ erst einmal länger „atmen“ muss, um seine Aromen hervorzukitzeln. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade alte Rotweine sollten binnen ein bis zwei Stunden getrunken werden, weil ihr Geschmack durch den Sauerstoffschock leidet. Und dem sogenannten „Depot“ in der Flasche entgeht das Glas durch einen neutralen Filter (erhältlich im Fachhandel). Sommeliers empfehlen heute, jüngere, mittelschwere Rotweine und jüngere, kräftige Weißweine zu dekantieren – wenn überhaupt.


Was ist Vinieren?
Es sieht nach großem Brimborium aus, aber das Vinieren verhilft tatsächlich zu einem verbesserten Geschmackserlebnis – da man zuerst mit der „Nase“ schmeckt. Und so funktioniert es: Zuerst einen kleinen Schluck Wein ins erste Glas einschenken, das Glas schwenken bis es innen vollständig mit dem Wein benetzt ist. Danach den Wein ins nächste Glas kippen und die Prozedur wiederholen und so weiter und so fort. Danach den Wein „richtig“ in die vorbereiteten (duftenden) Gläser einschenken.


Bei Weinen mit Schraubverschlüssen handelt es sich um Billigware

Bei der Zweiliter-Flasche für 1,99 Euro mit Sicherheit. Doch immer mehr Winzer gehen zum Schraubverschluss über – zum Glück, da Natur- und Presskorken häufig mit Schadstoffen belastet sind. Außerdem stehen Schraubverschlüsse zumeist für eine besonders hygienische Verarbeitung – und der Wein kann auch nicht mehr „korken“.


Warum ist Schwefel in Wein enthalten?
Ohne schweflige Säure (bzw. Sulfite, die Salze der schwefligen Säure) würde jeder Wein rasch oxidieren und ungenießbar werden. Die Mengen, die heute jedoch verwendet werden, sind so gering, dass sie vom Körper problemlos abgebaut werden. In Apfelsaft oder Trockenobst steckt weitaus mehr Schwefel als in Wein, der übrigens niemals schwefelfrei sein kann, denn allein bei der Gärung wird durch die Saccharomyces-Hefen schweflige Säure gebildet, die nur bei sehr empfindlichen Menschen zu allergischen Reaktionen führen können. Wenn einem Wein Sulfit beigemengt wurde, muss es auf dem Etikett stehen.


Ist Rosé bloß süßer Wein für Mädchen? Das war vielleicht mal so. Die Winzer haben inzwischen gelernt, gute Rosés herzustellen, die auch in Fachkreisen längst als vollwertige Mitglieder der Weinfamilie anerkannt sind. Rosé erobert zunehmend seinen Platz als Ganzjahreswein – und er wird immer hochpreisiger.


Was sagen Flaschenetiketten
über die Qualität des Inhalts aus?

Eher wenig. Ernstzunehmende Hinweise sind die Begriffe „Erzeugerabfüllung“ und „Gutsabfüllung“. Sie weisen darauf hin, dass der Anbau sämtlicher verwendeter Traubenarten, die Weinerzeugung sowie die Abfüllung in den Händen eines Winzers oder einer Winzergenossenschaft liegen. Bei der Gutsabfüllung müssen zusätzlich die Rebflächen mindestens drei Jahre lang bewirtschaftet sein und der Betriebsleiter eine Fachausbildung besitzen.

Aber es gibt weitere Hinweise. Wenn groß auf dem Etikett nur eine Rebsorte steht („Merlot“, „Primitivo“), dann ist der Wein oft aus Trauben weit entfernter Regionen (oder sogar Länder) zusammmengemischt – und meist von eher geringer Qualität. Regionale Angaben („Beaujolais“, „Chianti“) bedeuten, dass der Wein nur aus diesem Anbaugebiet kommen darf. Angaben wie Appellation d’Origine Contrôlée (Frankreich) oder Denominazione di origine controllata (Italien) garantieren diese Herkunft und Qualitätsstandards bei der Herstellung.


Gibt es veganen Wein?
Ja. Die Klärung des Weines übernehmen heute zumeist Kieselgurfilter. Aber auch wenn einige Winzer noch immer auf traditionelle Klärmethoden mit Gelatine, Hühnereiern oder gar den getrockneten Schwimmblasen von Stör und Wels schwören: Die tierischen Stoffe werden dem gefilterten Wein komplett entzogen.