Sie ist nicht nur außerordentlich gesund, sondern auch ein kulinarisches Multitalent. Eine Exotin, die auch bei uns zum Renner wird.

Sie sieht nicht aus wie eine Kartoffel, schmeckt auch nicht wie eine Kartoffel, ist gar keine Kartoffel, heißt aber so: Süßkartoffel. Die Burger- und Streetfood-Fraktion scheint ohne Pommes aus den meist orangefarbenen Süßkartoffeln nicht auszukommen. Es gibt sie auch als Schnitze, als Püree, als Schaum, gebraten, gekocht, gegrillt, gebacken, als Suppe und frittiert. Sie ist zurzeit der Hit auf vielen Speisekarten, Kinder mögen sie wegen ihres süßlichen Geschmacks. Ernährungswissenschaftler haben nichts dagegen, denn die Süßkartoffel ist gesund.

Warum sie so heißt, wie sie heißt, weiß man nicht, aber ihr eigentlicher Name Batate ist wenig geläufig. Im Gegensatz zum Nachtschattengewächs Kartoffel (Solanum tuberosum) gehört die „Süße“ (Ipomea batatas) zu den Prunk- und Prachtwinden. Ihre herzförmigen Blätter und die hübschen Blüten, die an Malven erinnern, machen sie geeignet als schnell rankende Zierpflanze für Topf und Balkonkübel.

Zum Anbau im nordeuropäischen Klimaraum ist sie jedoch fehl am Platze, denn sie ist sehr sensibel, fault schnell, braucht Wärme, aber nicht zu viel, und Feuchtigkeit, aber nicht zu viel – wie in ihrer Heimat Mittelamerika. Von dort aus verbreitete sie sich in den entsprechenden Klimazonen der Erde, wird aber nicht, wie man bei „Kartoffel“ denken könnte, in Deutschland und Umgebung angebaut. Der größte Produzent ist China, das aber meist nach Asien exportiert. Das hiesige Angebot kommt vorwiegend aus Israel, Spanien und in großen Mengen (für die Pommes!) aus den USA. Der Hamburger Gemüsegroßhändler Marker handelt meist mit amerikanischer Ware und hat in den vergangenen drei Jahren eine „deutliche Zunahme“ der Bestellungen festgestellt.

Die Vegetarier haben sie schon früher für sich entdeckt

„Ich habe Süßkartoffeln bei Reisen nach Mexiko und Thailand vor 15 Jahren entdeckt“, sagt Sterne-Koch Ali Güngörmüs vom Le Canard Nouveau. „Ich freue mich, dass man sie jetzt unkompliziert auch hier bekommt. Gern mache ich ein Püree daraus, kombiniere es mit Limettensaft. Das nimmt etwas von der Süße. Oder ich gebe etwas Kokosmilch dazu, damit das Püree cremiger wird.“ Er kommt ins Schwärmen: „Als Chip schmeckt Süßkartoffel fein zu Gegrilltem wie Rib Eye Steak oder Entrecote. Natürlich eignet sie sich sehr gut für vegetarische und vegane Gerichte. Dann mache ich aus der gekochten Kartoffel, die man leicht aus der Schale drücken kann, mit Bulgur (Hartweizengrieß), Mehl, Ei und Gewürzen kleine Plätzchen und gebe dazu Kräutersalat oder Gemüse.“

Vegetarier kennen das süße Gemüse schon seit Langem. Die Firma Grell Naturkost in Kaltenkirchen beliefert seit Jahren Bioläden wie Alnatura, Erdkorn und Denn’s, aber auch Markthändler und Restaurants, die gern gemüse-lastig kochen wie die Gutsküche in Wulksfelde. „Wir haben Süßkartoffeln immer gut verkauft, merken keinen besonderen Anstieg im Absatz“, sagt Norbert Schick, Einkaufsleiter für Obst und Gemüse bei Grell. „Die Knolle ist auch ziemlich teuer, jedenfalls bei guter Qualität. Dann kostet sie das Doppelte oder Mehrfache der normalen Kartoffel. Vor einiger Zeit wollten US-Exporteure mit uns eine Verkaufsoffensive starten, aber die Massenware passte nicht in unser Naturkost-Sortiment.“

Süßkartoffeln haben
mehr die Form von
Rüben – und sind
auch gar keine Kartoffeln
Süßkartoffeln haben mehr die Form von Rüben – und sind auch gar keine Kartoffeln © Getty Images

Die Erfahrung, dass gute Biosüßkartoffeln teuer sind, hat auch Matthias Gfrörer gemacht, der mit seiner Frau Rebecca die Gutsküche vom Bioland-Gut Wulksfelde in Tangstedt kurz hinter der Stadtgrenze Hamburgs führt. Er kocht für seinen bei den Poppenbüttelern beliebten Mittagstisch raffinierte Hausmannskost und abends „internationale Landhausküche“, wie er es nennt. „Biosüßkartoffeln, spezielle ausgefallene Sorten wie blaue zum Beispiel, sind besonders teuer“, sagt Gfrörer, „aber Nachhaltigkeit ist mir wichtig.“ Er schneidet die geschälten Kartoffeln in längliche Schnitze und gart sie im Heißluftofen mit etwas Salz, Pfeffer und Öl oder brät sie, al dente vorgekocht, mit wenig Fett in der Pfanne wie Röstkartoffeln. Die begleiten dann zum Beispiel Angeldorsch und Gemüse vom Wulksfelder Gut. Der Koch kannte die Knollen aus Kalifornien. „Da führte sie schon früh jeder Health-Food-Laden.“

Das ist nicht abwegig, denn Süßkartoffeln enthalten viel Vitamin A und E, Kalzium und Betacarotin. Der süße Geschmack kommt vom (Frucht-)Zucker. Der Gehalt an Kohlehydraten ist ungefähr gleich hoch wie der der Kartoffel, der Vitamin-C-Gehalt geringer. Kinder mögen Süßkartoffeln meist lieber als Spinat oder Brokkoli.

Thomas Sampls Rezept für Grillabende

Gegart werden Süßkartoffeln wie Kartoffeln. Thomas Sampl, der früher im Vlet kochte und jetzt selbstständig ist, hat dieses Rezept für Grillabende (für vier Personen): je eine dicke Kartoffel (à 250 g), 1 Bund glatte Petersilie, 2 Bio­zitronen, 500 g Joghurt, etwas Olivenöl und 1 Beutel ganze ungeröstete Mandeln. Er wickelt die Knollen in Alufolie und stopft sie für 20 Minuten in die Glut der Grillkohle. „Sie kann auf dem Grill auch noch nachgaren. Dann schneidet man das Päckchen auf wie eine Ofenkartoffel und drückt den ganz weichen Inhalt raus in eine Schüssel, vermischt ihn mit Zitronensaft und Öl, gehackter Petersilie und Joghurt, streut die Mandeln darüber. Passt zu Fleisch, aber auch zu gegrillten roten, grünen und gelben Spitzpaprika“, sagt Sampl.