Sie sind nicht nur sehr gesund und in der Küche vielseitig verwendbar. Mit ihnen hat auch ein bekanntes Märchen zu tun.

Waldspaziergang im Herbst. Das Laub raschelt unter den Füßen, ein paar Eicheln und Kastanien wandern in die Jackentasche. Zu Hause erst einmal aufwärmen. Schnell dampft die Fliederbeersuppe auf dem Herd, fruchtig-herb-süß mit Apfelspalten, Grießklößchen und Zimtstange. Kindheitserinnerungen an blaue Zähne und Zungen, wohlig-warme Küchen und Omas mit Kittelschürze.

Die Suppe schmeckt natürlich auch heute noch. Und sie ist nur eine Möglichkeit, Fliederbeeren zu verarbeiten. Diese schmecken auch als Saft, die Blüten als Sirup, die Früchte zum Verfeinern von Wildgerichten.

Fliederbeeren oder Holunder (Sambucus nigra) gehören zur norddeutschen Landschaft. In Knicks und Hecken, am Feldrand oder im eigenen Garten wachsen die bis zu elf Meter hohen anspruchslosen Büsche. Die üppigen weißen Blütendolden entfalten im Mai und Juni ihren süßen Duft, während die Früchte jetzt reif sind.

Wer Fliederbeeren ernten möchte, sollte eine Gartenharke dabei haben, um obere Äste herunterzuziehen. Außerdem unentbehrlich: Schere, Korb oder Eimer zum Sammeln der Dolden sowie Handschuhe und unempfindliche Kleidung, um nicht mit blauen Fingern oder Flecken nach Hause zu kommen. Wegen der Abgase und anderer Schadstoffe sollte man nur abseits von viel befahrenen Straßen ernten. Vorsicht beim Verzehr der rohen Beeren: Sie sind schwach giftig und verursachen Übelkeit oder gar Erbrechen. Sie sollten zu Hause auch nicht länger als nötig gelagert, sondern schnell verarbeitet werden.

Schon Hippokrates soll Holunderbeeren als Heilmittel genutzt haben, und auch Hildegard von Bingen hatte sie in ihrer Hausapotheke. Die schwarzblauen Früchte haben sich besonders als wirksames Hausmittel gegen Erkältung und Grippe bewährt, denn der Saft wirkt dank viel Vitamin C und Vitamin A sowie ätherischem Öl schweißtreibend und fiebersenkend.

Um das Gewächs ranken sich Legenden und Aberglaube. Bei den Germanen galt der Strauch als Lieblingsort der Göttin Holla, die gern zwischen den Zweigen ihre Zeit verbrachte und die Blüten schüttelte, bis diese im Frühling wie Schnee herabfielen. Später entwickelte sich aus der Göttin Holla das Märchen Frau Holle der Brüder Grimm.

Das Verstümmeln eines Holunders brachte Unglück oder Tod, im Hausgarten galt er als Lebensbaum. Das Verdorren zeigte den Tod eines Familienmitglieds an. Der Busch galt als Mittel gegen schwarze Magie und Hexen, schützte vor Feuer und Blitzeinschlag. Auch beherbergte er wohlgesinnte Hausgeister, was den Strauch in vielen Hausgärten heimisch werden ließ und zu dem Spruch führte, dass man vor einem Holunder den Hut ziehen müsse. Der unangenehme Geruch des Laubes soll daher kommen, dass sich Judas der Legende nach an einem Holunderbaum erhängt hat.

Nun ja, darauf lieber eine alkoholfreie Holunderschorle oder einen Hugo, diesen vermutlich in Südtirol erfundenen Cocktail aus Prosecco, Mineralwasser, Holunderblütensirup, Minzblättern und Limette auf Eis. Den Sirup kann man im Frühsommer aus möglichst in der Mittagssonne geernteten Blüten, Zucker, Wasser, Zitronen und -säure herstellen.

Essenz ist nicht ganz so süß. Dafür werden die Dolden getrocknet und mit einem Fond aus Weißwein, Vanille, Zucker, Zitronen- und Orangensaft sowie Zitronen- und Orangenschalen übergossen. Alles ein paar Tage ziehen lassen und abseihen. Die Essenz verfeinert Salate oder die Hollandaise zur Spargelzeit. Zum Nachtisch dann noch Hollerküchlein: Das sind in Pfannkuchenteig gewendete und in Fett ausgebackene Blüten. Sie werden mit Vanillesoße serviert.

Warum nicht mal Holunder- stattPreiselbeeren zum Wildbraten?

Herbstlich sind dagegen neben Suppe und Saft auch Holundergelee oder -likör. Dafür kann man Saft mit Zucker und Gewürzen sowie Wodka, Korn, weißem oder braunem Rum aufsetzen. Für die Zubereitung von Saft werden die Beeren gewaschen, gut abgetropft und von den doldenförmigen Stängeln gezupft. Das geht mit einer Gabel oder den Fingern.

Für 600 Milliliter Saft setzt man ein Kilogramm geputzte und gewaschene reife Beeren mit einem Viertelliter heißen Wassers auf. Erst aufkochen, danach 20 Minuten bei schwacher Hitze köcheln lassen, ab und an umrühren. Anschließend wird die Fruchtmasse durch ein mit einem Tuch ausgelegtes Sieb gedrückt, der Saft in einer Schüssel aufgefangen. 100 bis 200 Gramm Zucker dazugeben, die Flüssigkeit noch einmal auf 80 Grad erhitzen und in Flaschen abfüllen. Man kann natürlich auch einen Entsafter benutzen.

Wer Wild mal nicht mit Preiselbeeren servieren möchte, findet in Fliederbeeren eine raffinierte Alternative. Wildschweinrücken im Speckmantel mit karamellisierten Quitten und Rotwein-Holunder-Sauce oder Lamm-Ossobuco mit Holunderbeeren-Sauce und Knödel oder Ente, mit den Beeren statt mit Orangen verfeinert, schmecken sehr gut.