Berlin. Für die meisten Menschen ist das Smartphone kaum wegzudenken. Welche Folgen hat das für die Gesundheit? Ein Blick in die Forschung.

Das Gerät hat unseren Alltag revolutioniert: Seit gut zehn Jahren ist das Smartphone auf dem Vormarsch. Mittlerweile nutzen es 80 Prozent der Menschen in Deutschland. Einer Schätzung des Branchenverbands Bitkom zufolge sind das 57 Millionen. Viele Verbraucher aber sind verunsichert: Was machen Smartphones mit der Gesundheit? Sechs Thesen und die Fakten:

1. These: Smartphones können süchtig machen. Bewertung: Stimmt.

Rund ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland gilt bereits als internetsüchtig. Betroffen sind vor allem Jüngere: In der Altersgruppe von 14 bis 24 Jahren zeigen 2,4 Prozent der Frauen und 2,5 Prozent der Männer ein Suchtverhalten. Zu diesem Ergebnis kommt die sogenannte Pinta-Studie, die im Auftrag der Bundesregierung von dem Lübecker Psychologen Hans-Jürgen Rumpf durchgeführt wurde.

Dabei beobachtet Rumpf einen Geschlechterunterschied: Während junge Männer für Online-Spiele und Pornografie anfällig sind, neigen junge Frauen eher zu einer Sucht nach sozialen Medien. „Und diese Sucht wird vor allem über das Smartphone befriedigt“, sagt Suchtforscher Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen bei München.

Er empfiehlt, die eigene Nutzung zu kontrollieren: „Es ist sinnvoll, sich Zeiten, Räume und Situationen zu überlegen, in denen das Smartphone aus ist – das kann beim Essen sein oder eine Stunde vor dem Schlafengehen.“

2. These: Smartphone-Nutzung schadet Rücken und Händen. Bewertung: Stimmt.

Patricia Tegtmeier von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat mit ihrem Team 41 Studien aus den Jahren 2007 bis 2016 ausgewertet und kommt zu dem Ergebnis: „Wenn das Smartphone sehr intensiv und andauernd genutzt wird, kann sich das Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen erhöhen.“

Neben Nackenverspannungen durch eine gekrümmte Haltung birgt das schnelle, wiederholte Tippen auf kleinen Displays ein erhöhtes Risiko für Sehnenscheidenentzündungen an den Handgelenken und in den Daumen. Das hat eine in der Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte Studie des Universitätsklinikums Granada bereits vor vier Jahren gezeigt.

„Touchscreen-Geräte sind grundsätzlich für eine kurze Nutzung sinnvoll. Wenn man aber längere Texte tippen will, sollte man eine externe Tastatur nutzen“, sagt Tegtmeier. Außerdem empfiehlt sie, die Haltung häufig zu wechseln.

3. These: Smartphone-Licht kann die Netzhaut der Augen schädigen. Bewertung: Die Wissenschaft streitet.

Im Juli erhielt ein Beitrag in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ viel Aufmerksamkeit. Ein Team der Universität Toledo (USA) wollte herausgefunden haben, dass der Blauanteil im Displaylicht von Smartphones und Computern Erblindung verursachen kann. Das kurzwellige Licht rege in den lichtsensiblen Zellen des Auges die Produktion giftiger Moleküle an, so die Forscher.

Diese Einschätzung ist sehr umstritten. Das wissenschaftliche Komitee der EU-Kommission für Gesundheitsfragen erklärte noch im Juni: „Studien zeigen, dass die Lichtintensität von LED-Displays, die in Fernsehgeräten, Laptops, Telefonen, Tablets oder Spielzeug verbaut sind, weniger als zehn Prozent der Höchstintensität beträgt, die zum Schutz der Netzhaut definiert worden ist. Das heißt, sie stellt bei normaler Nutzung kein Risiko für die Augen da.“

Auch Ljiljana Udovičić von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind keine wissenschaftlichen Beweise bekannt, die sagen würden, „dass das Licht von Bildschirmgeräten zu einer Netzhautschädigung führt“.

Für manche Studien, die von einer schädlichen Wirkung des blauen Lichts ausgehen, seien Ratten sehr hohen Lichtintensitäten ausgesetzt worden – bis zu 30.000 Lux. „In einem normalen Büroumfeld messen wir am Auge ungefähr 250 Lux“, sagt Udovičić.

4.These: Die elektromagnetische Strahlung von Smartphones kann Krebs verursachen. Bewertung: Stimmt nach bisherigen Erkenntnissen nicht, aber ein Restrisiko besteht.

Für viel Aufsehen sorgte im April ein Gerichtsurteil in Italien. Einem Mann wurde Schmerzensgeld zugesprochen, weil in seinem Kopf ein Hirntumor gewachsen war. Die Richter bewerteten den Krebs und seine Folgen als Berufskrankheit – der Mann hatte für seinen Arbeitgeber täglich mehrere Stunden mit dem Handy telefoniert.

Kann Handy-Strahlung folglich als krebserregend gelten? Nein sagt Gunde Ziegelberger vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). „Wir haben keinen Nachweis, dass die Smartphone-Nutzung bei Einhaltung der internationalen Grenzwerte Krebs verursachen könnte.“

Zwar reiche die Studienlage noch nicht aus, völlige Sicherheit zu geben, weil sich Tumore über lange Zeit entwickelten. „Aber mit jedem Jahr, in dem wir keinen Anstieg an Erkrankungen sehen, erhalten wir mehr Gewissheit.“

Die bislang größte Langzeitstudie, „Interphone“ mit mehr als 12.000 Teilnehmern kam 2010 zu dem Ergebnis, dass bei durchschnittlicher Nutzung des Handys kein erhöhtes Tumorrisiko für Erwachsene besteht. Allerdings beanstandeten Kritiker handwerkliche Fehler des internationalen Projekts.

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    Eine andere Langzeituntersuchung hat deshalb bereits begonnen: Im Rahmen der sogenannten Cosmos-Studie werden seit elf Jahren 290.000 Handy-Nutzer in fünf europäischen Ländern medizinisch gecheckt. Erste Ergebnisse stehen noch aus.

    Wegen der verbleibenden Unsicherheit bezüglich der Langzeitnutzung empfiehlt Ziegelberger, das Handy so selten wie möglich direkt an den Kopf zu halten. Ein Headset oder die Lautsprecherfunktion seien gute Alternativen.

    Außerdem lohne sich der Blick auf die Verbindungsqualität. „Wenn der Empfang gut ist, dann regelt die Basisstation die Sendeleistung des Handys um das Tausendfache herunter und die Strahlungsbelastung nimmt ab.“

    5. These: Allein der Wlan-Betrieb eines Smartphones kann schädliche Strahlung verursachen. Bewertung: Stimmt nach bisherigen Erkenntnissen nicht.

    Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz kam bereits 2005 zu dem Ergebnis, dass die Strahlenbelastung durch Wlan-Geräte bei unter 0,1 Prozent des EU-Grenzwertes liegt. Selbst in unmittelbarer Nähe zum Körper könne keine Strahlung im gesundheitsschädlichen Bereich gemessen werden.

    „Die Sendeleistung von Wlan ist sehr niedrig, sie liegt im Milliwatt-Bereich“, erklärt Ziegelberger. Zum Vergleich: Eine einzelne Antenne einer Mobilfunksendeanlage sendet bei maximaler Auslastung mit bis zu 50 Watt, ein Smartphone kommt auf etwa ein Watt.

    6. These: Ein Handy in der Hosentasche kann bei Männern die Fruchtbarkeit reduzieren. Bewertung: Stimmt nach bisherigen Erkenntnissen nicht.

    Wo ist das Smartphone immer griffbereit? Richtig, in der Hosentasche. Deshalb bewahren viele Männer das Handy in der Nähe ihres Geschlechtsteils auf. Weitverbreitet ist die Behauptung, dass die Technik Einfluss auf die Spermienbildung und somit auf die Fruchtbarkeit nehmen kann.

    Richtig ist, dass die Hoden ebenso wie die Augen zu den temperatursensiblen Körperteilen gehören. Wenn sie dauerhaft zu warm werden, stört das ihre Funktion. „Die Spermienbildung wird durch eine Temperaturerhöhung um mehr als ein Grad nachweislich unterdrückt“, sagt Ziegelberger. Allerdings seien die Wärme des Handy-Akkus oder die Strahlungsenergie für diesen Effekt nicht ausreichend.

    „Selbst wenn Sie das Handy direkt an den Hoden halten, reicht die Temperaturerhöhung nicht aus, um die Spermienbildung zu beeinflussen“, sagt Ziegelberger. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz zeigte bei einem Abstand von einem Zentimeter eine strahlungsbedingte Erwärmung der Hoden um weniger als 0,01 Grad.