Essen. Eine Studie der Betriebskrankenkassen zeigt, dass Menschen in stationären Einrichtungen viel häufiger krank sind als in ambulanten.

Waschen, füttern, anders betten und dabei den älteren Menschen immer wieder anheben – Pflege ist ein Knochenjob. Und wegen des wachsenden Personalmangels auch ein Kampf gegen die Uhr. Es fehlt wertvolle Zeit – etwa um den Bewohnern regelmäßig das Glas zu reichen, damit sie ausreichend trinken.

Die Folgen lassen sich erahnen, nun aber auch in Zahlen fassen. Eine Studie der Betriebskrankenkassen im Norden und Westen Deutschlands (BKK Nordwest) zeigt immense Unterschiede zwischen dem Zustand stationär und ambulant gepflegter Menschen auf, wenn sie ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Wer aus einem Altenheim ins Krankenhaus eingewiesen wird, leidet deutlich häufiger unter vermeidbaren Erkrankungen als Menschen, die daheim gepflegt werden. Das belegt die repräsentative Auswertung der BKK Nordwest, die dieser Redaktion vorliegt.

Häufigstes Problem ist Flüssigkeitsmangel

Demnach wird bei vier von fünf (83 Prozent) Patienten, die aus Heimen eingewiesen werden, eine Erkrankung festgestellt, die auf mangelhafte Pflege schließen lässt. Bei Patienten, die ambulant gepflegt werden, ist das bei 72 Prozent der Fall.

Die Studie wertet Klinikdaten von 70.000 Pflegebedürftigen aus acht Betriebskrankenkassen aus, die Versicherte in ganz Deutschland, aber ihre Schwerpunkte in NRW, Hamburg und Berlin haben. Erfasst wurden Diagnosen von Menschen der Pflegestufen zwei bis fünf. Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen müssen jedes Jahr mindestens einmal ins Krankenhaus.

Spahn legt Programm für 13.000 zusätzliche Pflegekräfte vor

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    Das mit Abstand häufigste Problem ist Flüssigkeitsmangel: 30 Prozent der Heimbewohner kommen dehydriert in die Klinik, von den ambulant Gepflegten jeder Dritte (22 Prozent). Teils nicht oder unzureichend behandelte Sturzverletzungen werden bei 15,7 Prozent der Heimbewohner diagnostiziert und bei 12,2 Prozent der von zu Hause eingewiesenen Patienten.

    Mehr Medikamente wegen Personalknappheit

    Unter einem Wundgeschwür (Dekubitus) leiden 7,5 Prozent der Heimbewohner und damit ein Drittel mehr als Menschen, die zu Hause gepflegt werden. Auffällig ist zudem die häufige Gabe von Beruhigungsmitteln – vier von zehn Heimbewohnern nehmen nach den BKK-Daten Psychoeleptika, im häuslichen Umfeld nur 32 Prozent. „Die Ergebnisse bestätigen leider unsere Befürchtungen“, sagt Dirk Janssen, Vizechef des BKK Landesverbands Nordwest.

    Er sieht als Hauptursache die dünne Personaldecke in den Heimen. Dass etwa viele Bewohner Psychoeleptika gegen Unruhezustände erhielten, sei an sich nicht ungewöhnlich. „Dass sie aber weit häufiger als bei ambulant versorgten Menschen verabreicht werden, lässt sich medizinisch nicht erklären“, sagt Janssen. Der Grund dafür sei wohl eher in der Personalknappheit zu suchen. Janssen glaubt, dass mehr Pflegekräfte gebraucht werden und steigende Beiträge unvermeidbar sind.

    Bis zum Jahr 2025 könnten 200.000 Pflegekräfte fehlen

    Tatsächlich kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch an, der Beitragssatz zur Pflegeversicherung werde ab 2019 um 0,3 Punkte steigen, um eine Finanzierungslücke der Pflegekassen von drei Milliarden Euro zu schließen. Der Beitragssatz für Eltern erhöht sich auf dann 2,85 Prozent, für kinderlose auf 3,1 Prozent.

    Spahn hatte jüngst ein Sofortprogramm zur Schaffung von 13.000 zusätzlichen Pflegekräften vorgelegt, das von Experten als Tropfen auf den heißen Stein gewertet wird. Hochrechnungen zufolge könnten bis 2025 bundesweit bis zu 200.000 Pflegekräfte fehlen.

    Die Betriebskrankenkassen fordern zudem ein nationales Pflegeregister, um gezielter gegen sich häufende Missstände in einzelnen Heimen vorgehen zu können. Das sei jedoch nur möglich, wenn alle Kassen ihre anonymisierten Daten offenlegen.