Sydney. Dentaltechniker Paul Talbot schenkt Aborigines in Australiens entlegenen Orten wieder ihr Lächeln. Bisher kam dort kein Zahnarzt hin.

Wenn Zahntechniker Paul Talbot mit seinem „Denture Van“, einem mobilen Zahnlabor, über endlose Wüstenstraßen in ein neues Örtchen rollt, hört sein Telefon nicht mehr auf zu klingeln. Denn im Outback Australiens – oft Hunderte oder Tausende Kilometer von einer größeren Stadt entfernt – herrscht Zahnarztmangel. Und selbst wenn ein Zahnarzt in der Nähe ist, können viele der Ureinwohner sich den Zahnersatz nicht leisten.

Viele Aborigine-Kinder wachsen ohne jede Zahnhygiene auf. Als Erwachsene verlieren sie oft ihre Zähne und wollen ihr lückenhaftes Lächeln nur ungern zeigen. Die Benachteiligung der Aborigines – hier wird sie besonders sichtbar. Die schlechten Zähne sind nicht nur ein Gesundheitsproblem, sie sind ein soziales Stigma.

Zahntechniker in Australien dürfen mehr als in Deutschland

Der Ansturm ist deswegen groß: „Sie versuchen mich über Facebook zu kontaktieren und über den Denture Van auszufragen“, sagt Paul Talbot. Wann komme der „Zahnlieferwagen“ zu ihnen, würden die Menschen im Outback von ihm wissen wollen – so groß sei das Interesse. Wenn er dann ankommt, wird er gefeiert wie ein Held. Kinder umringen seinen Van wie anderswo den Eiswagen. Manche Patienten brechen in Tränen aus vor Erleichterung, dass sich ein Fachmann ihrer annimmt.

Paul Talbots „Zahnlieferwagen“ ist eine Initiative des Poche-Zentrums für Indigene Gesundheit an der Universität von Sydney, das gegebenenfalls die Behandlungskosten übernimmt. Talbot, selbst Aborigine, ist von der Universität als Zahntechniker ausgebildet worden. Ähnlich wie bei Krankenschwestern sind die Befugnisse von Zahntechnikern in Australien im Vergleich zu Deutschland erheblich größer.

Zuvor warteten die Patienten monatelang

Zahnarzt Paul Talbot.
Zahnarzt Paul Talbot. © privat | privat

Derzeit ist er in dem Lieferwagen, der mit hochwertiger Zahntechnik ausgestattet ist, in seiner Heimatregion im Norden des Bundesstaates New South Wales unterwegs, um den Menschen neue Kronen und Brücken zu bauen. Bis zu zwölf Kronen und Brücken kann er in vier Tagen produzieren und anpassen, außerdem führt er kleinere Zahnbehandlungen durch und klärt über Zahnhygiene auf.

Dafür röntgt er seine Patienten und nimmt Abdrücke, bevor er den Zahnersatz baut, einpasst und poliert. „Es ist eigentlich unglaublich“, sagte der Ureinwohner über die schnelle Abwicklung. Zuvor hätte die indigene Bevölkerung, die meist keine Privatversicherung hat, Monate oder sogar Jahre über das öffentliche Gesundheitssystem auf Kronen und Brücken warten müssen. Manche Patienten mussten zuvor nach Sydney fliegen, um zum Zahnarzt zu gehen.

„Ich fühle mich wie ein neuer Mann“

„Ich habe vor einigen Wochen eine Sprechstunde in Inverell abgehalten“, erzählt Talbot. Eine Patientin, die er dort behandelt habe, habe sich seit 30 Jahren nicht getraut zu lächeln. „Sie so glücklich zu sehen, dass ihr die Tränen übers Gesicht rollten, das war ein rundum erfolgreicher Job.“

Auch der 50-jährige Barry Sampson, den der Zahntechniker in Moree, einem weiteren kleinen Ort im Outback von New South Wales, behandelte, verließ die fahrende Klinik mit einem Lächeln. „Ich fühle mich wie ein neuer Mann“, sagte er.

Aborigine-Kinder halten Zahnschmerzen für normal

Was für viele Städter in Australien selbstverständlich ist – ein gut ausgebautes, effektives Gesundheitssystem –, ist für Aborigines, die häufiger als nicht indigene Australier im Landesinneren leben, oftmals noch etwas Besonderes. Auf der Seite „Australian Indigenous Health Info Net“ heißt es: „Viele Gesundheitsangebote sind nicht so zugänglich und nutzerfreundlich für Aborigines wie für nicht indigene Menschen.“ Das fördere das Ungleichgewicht. Nach wie vor ist die Lebenserwartung der Ureinwohner mit 69 Jahren für Männer und 74 Jahren für Frauen zehn Jahre geringer als die nicht indigener Australier.

„Wir haben in einer Studie herausgefunden, dass die meisten Aborigine-Kinder Zahnschmerzen als selbstverständlich hinnehmen“, sagt Kylie Gwynne vom Institut für Indigene Gesundheit. „Wir sind froh, dass sich das dank unsere mobilen Labore gerade ändert.“