Berlin. Das „Heimlich-Manöver“ hat Tausende Menschen weltweit vor dem Erstickungstod bewahrt. Jetzt ist der Erfinder der Technik gestorben.

Henry Heimlich hat mit der Erfindung des „Heimlich-Manövers“, einem Handgriff um Objekte schnell aus der Luftröhre von Erstickenden zu befördern, vermutlich zehntausenden Menschen weltweit das Leben gerettet. Nun verstarb der amerikanische Arzt mit 96 Jahren in einem Krankenhaus in Cincinnati. Doch auch über 40 Jahre nach Einführung dieser wichtigen Erste-Hilfe-Technik beherrschen viele den lebensrettenden Handgriff noch nicht.

Ohne ihn wäre möglicherweise auch Patty Ris nicht mehr am Leben. Die 87-Jährige saß im Mai dieses Jahres ganz normal am Essenstisch im Seniorenheim und begann einen Hamburger zu essen. Durch Zufall war sie an den selben Tisch wie der berühmte Dr. Henry Heimlich gesetzt worden.

Heimlich selbst rettete Seniorin

„Und das nächste, an was ich mich erinnern kann ist, dass ich nicht atmen konnte, weil ich mich so sehr verschluckt hatte“, erzählt Ris später der New York Times. Zu ihrem Glück war Heimlich trotz seiner 96 Jahre sofort zur Stelle, umfasste die Frau von hinten mit beiden Armen und vollführte eine ruckartige Zug-Bewegung.

„Ein Stück Fleisch mit einem kleinen Knochen dran flog daraufhin aus ihrem Mund“, berichtet Heimlich später vom Vorfall. Es sei das erste und damit wohl leider auch das letzte Mal gewesen, dass er seine eigene Technik in einem Notfall anwenden konnte.

Erstickungsgefahr besteht häufiger als gedacht

Das mediale Echo über diese Begebenheit – und die Aufregung darüber, ob Heimlich nicht bereits 2003 behauptet habe, seinen Griff erstmalig selbst eingesetzt zu haben – zeigen, dass das Heimlich-Manöver auch zu einer Art Erste-Hilfe-Ikone geworden ist. So führt das Heimlich-Institut sogar eine eigene Promimenten-Liste: Der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan, die Pop-Diva Cher, Schauspiellegende Elizabeth Taylor, ja sogar das Hollywood-Doppel Walter Matthau und Jack Lemmon – sie alle sollen ihr Leben dem einfachen Handgriff verdanken.

Dr. Henry Heimlich im Mai 2016 mit Patty Ris, der er mit seinem Handgriff das Leben rettete.
Dr. Henry Heimlich im Mai 2016 mit Patty Ris, der er mit seinem Handgriff das Leben rettete. © REUTERS | HANDOUT

Trotzdem ist das Heimlich-Manöver für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit – dabei zählt im Ernstfall jede Sekunde. Tatsächlich ersticken immer wieder Menschen beim Essen – für Kinder können auch zahlreiche Kleinteile zur tödlichen Gefahr werden. Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen dazu, doch die Kinderklinik der Ruhr-Universität Bochum berichtet, dass große pädiatrische Zentren jährlich eine zweistellige Zahl von Fällen beobachten, in denen kleine Objekte lebensgefährlich werden, weil sie Kindern in die Atemwege gelangt sind.

Selbst Erwachsene können sich im Büro hinter ihrem Schreibtisch nicht sicher fühlen, wie Journalist und Autor Thorsten Wiese für sein Buch „Warum Kugelschreiber tödlicher sind als Blitze“ recherchiert hat: Ihm zufolge erstickten in Deutschland jährlich 100 bis 300 Menschen an Teilen von Kugelschreibern, an denen die Opfer zuvor gekaut hatten.

Heimlich-Manöver ist leicht erlernbar

In vielen – wenn auch nicht in allen – dieser Fälle, kann es helfen, ruckartig den Bauchraum zusammenzupressen um mit dem so erzeugten Luftstoß den Fremdkörper hinauszuschleudern, wie es Erfinder Henry Heimlich 1974 erstmals in einem Fachaufsatz beschrieben hat. Zuvor rät das Deutsche Rote Kreuz (DRK) auf seiner Website aber, dem nach vorn gebeugten Betroffenen bis zu fünf mal kräftig zwischen die Schulterblätter zu schlagen. Wenn das erfolglos bleibt, ruft man zunächst den Notruf und beginnt anschließend das Heimlich-Manöver.

Dazu stellt sich der Helfer zunächst hinter den Betroffenen und umfasst die nach vorne gebeugte Person mit beiden Armen um den Bauch, erklärt Dr. Ghias Hallak, Oberarzt am Unfallkrankenhaus Berlin. „Dann macht der Helfer eine Faust und hält die Daumenseite gegen den oberen Bauchraum – direkt unterhalb des Brustbeins.“

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Jetzt umfasst der Helfer die Faust mit der anderen Hand und zieht diese bis zu fünf Mal kräftig nach hinten-oben. Helfe das nicht, müssen Heimlich-Manöver und Rückenschläge im Wechsel wiederholt werden, bis der Fremdkörper entfernt oder der Rettungsdienst eingetroffen ist, so Hallak. Grundsätzlich gelte aber: Sollte die Person das Bewusstsein verlieren, muss sofort eine Herz-Lungenmassage durchgeführt werden.

Besondere Vorsicht ist bei Säuglingen geboten

Das Verfahren darf grundsätzlich auch bei älteren Kindern angewendet werden. Hier kniet sich der Helfer dann hinter das Kind und führ die selben Schritte aus. Doch Vorsicht: Bei Babys, die jünger als ein Jahr sind, darf das Heimlich-Manöver nicht angewendet werden, warnt Kindernotfall Bonn, eine Initiative der Abteilung für Neonatologie am Universitätsklinikum Bonn, auf seiner Website. Laut den Experten besteht bei ihnen die Gefahr einer Leberverletzung!

Auch bei Babys sollte man aber zunächst versuchen, den Fremdkörper durch Klopfen auf den Rücken zu entfernen, rät Kindernotfall Bonn. Dazu hält man den Säugling in Bauchlage, mit Kopf nach unten. Der Kopf sollte dabei mit der Hand am Kieferwinkel gestützt werden. Dann verabreicht man dem Kind mit dem Handballen bis zu fünf kräftige Schläge auf die Rückenmitte.

Hilft das nicht, raten die Kinderärzte den Säugling auf den Rücken zu drehen, weiterhin mit Kopf nach unten, und eine sogenannte Thoraxkompression durchzuführen: Dazu legt man das Kind mit dem Rücken auf den freien Unterarm, die Hand umfasst dabei seinen Hinterkopf. Nun drückt man – wie bei der Herzdruckmassage – die Mitte des Brustbeins fünf mal hinunter und versucht so den Fremdkörper zu lösen. Abschließend sollte in jedem Fall ein Kinderarzt aufgesucht werden.

Weitere Informationen zu Hilfsmaßnahmen gibt es hier

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bietet auf seiner Website im Ratgeber „Der kleine Lebensretter“ zahlreiche Erste-Hilfe-Maßnahmen anschaulich bebildert und gut nachvollziehbar dar. Auch das Heimlich-Manöver wird erklärt.

Wie man bei Kinder-Notfällen vorgeht, erläutern die Kinderärzte der Universitätsklinik Bonn unter kindernotfall-bonn.de. Gut bebildert erklärt die Seite Eltern die wichtigsten Schritte im Notfall.

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